Die Geschichte der Seefahrtkreuzer-Klassen begann in den späten 20iger Jahren. Klaus Kramer hat einen sehr interessanten Artikel darüber geschrieben und vor einigen Jahren in der Mitgliederzeitschrift des FKY veröffentlicht. In dem folgendermaßen betitelten Artikel „Seetüchtig, Wohnlich, Schnell – Seefahrtkreuzer – Die seegängigen Fahrtenklassen des D.S.V., Ihre Entstehung, Entwicklung und ihre Zeit.“ schreibt er unter anderem:
„Die Zeit der Inflation ... war im November 1924 mit Einführung der neuen Rentenmark endlich überwunden, Yachtneubauten hatte es seit Kriegsende nur sehr vereinzelt gegeben. ‚Sie wurden mit Warenaktien, Sachwerten oder Fremdwährungen bezahlt. Wirtschaftlich konnte es nur noch bergauf gehen.
Die Nationalen Kreuzerklassen waren gerade neun Friedensjahre alt. Als bewohnbare Regattaschiffe hatten sie bei den Binnenseglern viele Freunde gefunden. Insbesondere die ausgedehnten Gewässer um Berlin waren die Hochburg der Nationalen 45- und 75-er. Man warnte die Eigner eindringlich vor Seereisen mit diesen Schiffen. Sie sollten sich mit ihnen keinesfalls weiter auf See hinauswagen, als bis in die geschützten Boddengewässer um Rügen. Und obwohl der Seglertag 1911 die 60-er und 75-qm Nationalen Kreuzerklassen eigens für das Fahrtensegeln an den Küsten und auf See geschaffen hatte, erwiesen sie sich für wirkliche Langfahrten und raues Wetter als ungeeignet. Man baute sie für Binnenregatten und, um eine größtmögliche Rennfähigkeit zu erzielen, ging man bei den Materialstärken der Spieren oft bis an die unterste Grenze des Möglichen heran. Ursprünglich für Gaffelrigg konzipiert, waren die Nationalen mit der neu aufkommenden, viel effektiveren Hochtakelage, unter Beibehaltung der alten Quadratmeterzahl, völlig übertakelt. Auf der Ostsee hatten sich ihre großen, zu leicht gebauten Riggs als sehr gefährlich erwiesen. Selbst bei den großen Klassen waren die vermessungsfähigen Takelagen nur bedingt seefähig. 250-er bestanden aus diesem Grunde ausschließlich nur auf dem Papier.
Nach dem 1. Weltkrieg wurden die schwedischen Schärenkreuzer – zuerst die 40-er und dann im Jahre 1925 die 22- und 30-er – als internationale Rennklassen eingeführt. Diese Boote hatten bewiesen, dass man auch mit relativ kleinen Schiffen Seeregatten durchführen konnte. Den spartanisch ausgestatteten Rennern fehlte es jedoch auf Langfahrten an Lebensraum und Komfort unter Deck.
Insbesondere die Konstruktionen von Max Oertz zeigten, dass es möglich war, seefähige Fahrtenschiffe zu entwickeln, die einerseits bequemen Lebensraum boten, andererseits aber auch erstaunliche Geschwindigkeiten entwickeln konnten. Oertz zum Thema Fahrtenyachten: „Der brauchbare Kreuzer muß vor allen Dingen eine gute Breite und große Stabilität besitzen, und muß, um handlich zu sein, mit einem Minimum an Segelareal auskommen. Gleichzeitig muß er ein Maximum an Bequemlichkeit unter Deck besitzen, dabei aber doch nicht zu tief sein und überhaupt so wenig extreme Verhältnisse aufweisen, dass beste Seefähigkeit gewährleistet ist. Ein Kunststück ist es, ein solch ideales Fahrzeug auch noch schnell zu machen.“
Der Deutsche Segler Verband und der Deutsche Segler-Bund buhlten um die Gunst der Seglerschaft. Während der regattaorientierte Seglerverband allein seine schnellen, aber seeuntauglichen Kreuzerklassen vorzuweisen hatte, konnte der fahrtenorientierte Seglerbund ein komplettes Seefahrtkreuzer-System anbieten. Es reichte vom 20- bis 50-qm-Küstenkreuzer, bis hin zu seefesten Fahrtenkreuzern von 60-, 80- 100- 125 bis 175- und 250-qm Segelfläche. Bereits dem kleineren 60-qm Bundeskreuzer sagte man nach, es sei mit ihm ohne weiteres möglich, „bei geübter Besatzung diese Jacht in allen Gewässern der Ostseestaaten auf sommerlichen Seereisen zu fahren“. Sämtliche Bundes-Seekreuzer wurden nach den Vorschriften und unter der Aufsicht des Germanischen Lloyd gebaut und mussten entsprechende Zertifikate vorweisen können. Die Klassenvorschriften des Segler-Bundes entsprachen bereits in vielen Punkten jenen Vorschriften, die der D.S.Vb. einige Jahre später für seine Seefahrtkreuzer erlassen sollte. Diese Bundes-Kreuzer waren u.a. auch die ersten Segelyachtklassen, die einen Motor als Hilfsantrieb vorsahen: Unter Punkt 8 ihrer Bauvorschriften heißt es „Für den Einbau eines Hilfsmotors ist in den Kreuzerjachten von 40 qm Segelfläche ab ein entsprechender Platz vorzusehen. Die Bohrung für ein Stevenrohr sowie der Ausschnitt für den Propeller müssen vorhanden sein.“ Daneben gab es ausführliche Wohnlichkeitsvorschriften, die auch längere Seereisen komfortabel werden ließen. Ab 60qm Segelfläche war ein „fest abgeschotteter Raum mit Abort und Wascheinrichtung“ vorgeschrieben. Bei den großen 175 und 250-ern war ein Pumpklosett Pflicht.“
Und weiter schreibt Klaus Kramer:
„Bei den beliebter werdenden Seeregatten hatte der D.S.Vb. diesen Bundeskreuzern nichts entgegenzusetzen. Seine Regatten waren bunt zusammengewürfelte Haufen unterschiedlichster Schiffstypen. Die KR-Formel sollte hier für Gerechtigkeit sorgen. Sie war damals noch keine Bauformel, sondern diente dazu, verschiedene Yachttypen in möglichst gleichwertigen Gruppen zusammenzufassen.
Aus dieser Situation heraus reif die Kreuzerabteilung des D.S.Vb. zu einem Konstruktionswettbewerb für „Langfahrtkreuzer“ von 50 und 100 qm Segelfläche auf. Bei dem 100 qm Kreuzer musste die Segelfläche auf zwei Masten verteilt sein. Ziel der Ausschreibung war es. Wirklich seefeste Verbands-Klassen zu schaffen. 44 Konstrukteure reichten detaillierte Entwürfe ein. Die ersten Preise fielen auf Arthur Tiller für seinen 50qm-Kreuzer OSTSEE und Erich Schierenbeck, Bremen, für seine 100qm-Yawl WESTERTILL.
In der Auswertung heißt es: „Es ist nicht Aufgabe der Kreuzer-Abteilung, „Rennen“ zu veranstalten. Der hohe sportliche Wert der Langfahrtsegelei liegt nicht nur in der Segelkunst, hier treten Navigation und vor allem Seemannschaft hinzu, die bei Langfahrten und auch bei einem Wettbewerb und Gemeinschaftsfahrten über die offenbare See von ausschlaggebender Bedeutung sind. Der Hauptwert jeder seglerischen Erziehung und Ertüchtigung liegt in der Seemannschaft; gemeinschaftliche Fahrten über See, kameradschaftlicher Zusammenhalt und freiwillige Unterordnung unter gemeinsamen Willen sollen uns höchste Schulung bringen, Körper und Geist stählen und uns frische Kräfte zum wirtschaftlichen Kampfe schaffen. Hierzu brauchen wir wirkliche Seekreuzer!
Diese Fahrzeuge sollen nicht etwa besonders „dick“ und plump sein; mit Seetüchtigkeit lässt sich sehr wohl Schnelligkeit verbinden. Es klingt dem Rennsegler ungewohnt, wenn der Seesegler von Geschwindigkeit spricht, und doch ist diese auf See wichtiger wie bei kurzen Binnenfahrten. Ein Fahrzeug, das unter gegebenen Verhältnissen eine mittlere Stundengeschwindigkeit von 5 Knoten läuft, wird gegenüber einem anderen, das unter den gleichen Verhältnissen nur 4 Knoten erreicht, ein Reiseziel von 300 sm 15 Stunden eher erreichen, und dieser Zeitgewinn ist bei den ohnehin knapp bemessenen Urlauszeiten recht beträchtlich!“
Die Nachkriegszeit hatte die Gesellschaft grundlegend verändert! Nicht Schiffe für zeitlos lebende Herrensegler, sondern Yachten für arbeitende Normalbürger waren jetzt gefragt. Ein Grund mehr, das bestehende Klassen-System des D.S.Vb. völlig umzukrempeln. Dies sollte 1927 auf dem Deutschen Seglertag, der in diesem Jahr erstmals in der österreichischen Metropole Wien stattfand, geschehen.“
Über den Seglertag 1927 schreibt Kramer:
„Eingebunden in ein reichhaltiges Rahmenprogramm, das von der Besichtigung des kaiserlichen Lustschlosses Schönbrunn und des Praters, Ausfahrten ins nahe Gebirge, Besuch einer Festaufführung der Straußschen Operette „Die Fledermaus“ bis hin zum „Heurigen Abend“ auf Einladung des K.u.K. Yachtgeschwaders reichte, fand am Sonntag, den 16. Oktober 1927 im großen Prunksaal der Wiener Hofburg die Delegiertenversammlung des 28. Deutschen Seglertags statt. Dicht gedrängt standen 64 Punkte auf dem Programm, die zum großen Teil eingehender Behandlung bedurften.
An das Ende der anstrengenden Marathonsitzung hatte man den wichtigsten Punkt dieses Seglertages gestellt: eine bindende Entscheidung über das in Zukunft gültige Meßverfahren. 1930 würde das alte Klassensystem auslaufen und der Potsdamer Yacht-Club hatte dringend gefordert, bereits frühzeitig über das Folgemeßverfahren zu entscheiden, damit interessierte Eigner schon im voraus entsprechende Yachten in Auftrag geben könnten. In ähnliche Richtung zielten zwei Anträge von Küstenvereinen und des Berliner Yacht-Clubs, die eine Abkürzung der Geltungsdauer des bestehenden Messverfahrens forderten. Weitere Clubs verlangten eine zusätzliche 20-qm-Kiel-Rennklasse oder die Zulassung der internationalen 12-Fuß Einheitsjolle. Der Potsdamer Yacht-Club forderte 15, 20 und 30 qm Jollenkreuzer als Binnen-Kreuzerklassen, während aus Hamburg, mit Rücksicht auf die dortigen Seeverhältnisse eine 35 qm Jolli-Version verlangt wurde. Aus Berlin kam der Wunsch, die 45-er und 75qm-Nationalen –Kreuzer auch zukünftig unverändert beizubehalten, um das vorhandene Bootsmaterial nicht zu entwerten. Die Segelvereine der Küsten wollten dagegen den Nationalen-Kreuzerklassen lieber heute als morgen den Garaus machen. Denn während die 45 qm Nationalen als reine Binnenklasse hier ohnehin nicht ernst genommen wurde, galt der als Butenschiff geschaffene 75-qm Kreuzer bestenfalls als Küstentauglich. Die 125-er Nationalen hatten sich für Seefahrten als extrem Übertakelt herausgestellt und 250-qm Nationale existierten aus ähnlichen Gründen lediglich auf dem Papier. Als rennfähige Kreuzer forderten die Hamburger Vereine die schwedischen Schärenkreuzerklassen. Als Konzession an die Binnensegler wollte man bestenfalls die 35 und 45 qm Nationalen weiterhin dulden.
Der Norddeutsche Regatta-Verein verlangte gemeinsam mit dem Kaiserlichen Yacht-Club solide gebaute, seetüchtige Kreuzerklassen nach einer neuen, vom N.R.V. ausgearbeiteten KR-Formel. Diese setzte, ähnlich wie auch die internationale Meter-Formel, die wichtigsten Rumpf- und Riggmaße rechnerisch in Zusammenhang. Das mathematische Ergebnis der Formel ergab eine Vermessungsgröße in m-K.R. Zusätzlich wurde die Formel durch einschränkende Grenzmaße ergänzt. Dieser Forderung hatten sich weitere Seevereine, wie die Segler-Vereinigung Niederelbe, der Blankeneser Segel-Club, Weser Yacht-Club, Hamburger Segel-Club, die Segler-Vereinigung 1903, der Großherzoglich-Mecklenburgische Yacht-Club, Altonaer Yacht-Club, Lübecker Yacht-Club, Segler-Verein Stade und der Segelclub Eckernförde angeschlossen.“
Über diese Formel heißt es bei Kramer weiter:
„Neu war, dass mit dieser KR-Formel zum ersten Mal bei einer Verbandsklasse mehrmastige Riggtypen durch eine deutliche Takelungsvergütung gefördert werden sollten. Bei den Bundesklassen war dies längst vorgeschrieben.
Da das Verhältnis des Großsegels zur Gesamtsegelfläche als Hauptcharakteristikum der unterschiedlichen Takelungstypen anzusehen ist, setzte man die Fläche des Großsegels zur Gesamtsegelfläche der Yacht ins Verhältnis und errechnete hieraus den Vergütungsfaktor. Bei einer normalen Slup, deren Großsegel etwa 80% der Gesamtsegelfläche ausmachte, war die Vergütung gleich null. Yawls, Ketschen und Schoner mit relativen Großsegelflächen von 60%, 50%, 40% erhielten Tuchvergütungen von 1,6%, 5,1% oder sogar 5,8%.
Die Hamburger Formel sah seetaugliche Kielyachten in den Dimensionen 17, 13, 11, 10, 9, 8 und 7 m-KR für Besatzungsgrößen von 12 bis 4 Personen vor. Die Segelflächen-Vorstellungen reichten von 40 qm bei der kleinsten 7 KR-Yacht bis zu 250 qm beim großen 17 KR-Schiff.
Gegen diese KR-Formel standen die Vorstellungen der Siebener-Kommission, eines vom D.S.Vb. eingesetzten Ausschusses aus führenden Konstrukteuren. Sie war beauftragt, das gesamte deutsche Klassen- und Vermessungssystem für die kommenden Jahre zu überarbeiten und entsprechende Vorschläge vorzulegen. Der Ausschuß forderte für die neuen Seefahrtkreuzerklassen , wie auch für sämtliche übrigen Verbandsklassen einhellig Grenzmaßbestimmungen. Nach Meinung des Ausschusses erzeugt jede Rechenformel, wie u.a. auch die internationale Meter-Formel gezeigt hatte, eine einheitliche Schiffsform, und nicht, wie eigentlich gewünscht, Yachten, die sich entsprechend den unterschiedlichen Wünschen der Eigner voneinander unterschieden. Harry Wustrau, Konstrukteur und Vorsitzender des Technischen Ausschuß des D.S.Vb., 1927 hierzu:
„Jede Messformel liefert praktisch den Besteller dem Konstrukteur aus. Es ist falsch, zu sagen, dass der Besteller die Freiheit bekommt, zu bauen, was er will! Im Gegenteil, er muß bauen, was der Konstrukteur will. Denn jeder Konstrukteur muß den Ehrgeiz haben, jede Formel so auszunutzen, dass das schnellste Boot herauskommt.“ Und weiter: „Jede Meßformel züchtet nach einigen Jahren nur einen Einheitstyp in jeder Klasse, der eben der schnellste ist. Das bedauerliche ist aber hierbei eben die Tatsache, dass niemand vorher wissen kann, wie dieser Typ aussehen wird. Ganz anders und wesentlich günstiger liegt es, sobald man Grenzmaße festsetzt. Das Grenzmaß ist als zuverlässig auch auf lange Sicht erprobt und bewährt, wofür gerade unsere nationalen Kreuzerklassen das beste Beispiel sind: Jetzt, nach mehr als fünfzehnjährigem Bestehen dieser Klassen, ist eine gewaltige Mehrheit der deutschen Segler für nahezu unveränderte Beibehaltung der fünf zuerst geschaffenen nationalen Klassen (22, 30, 35, 45, 75 qm) aufgestanden, weil eben diese Bootsklassen von vornherein solche Grenzmaße aufweisen und unveränderlich beibehalten m u ß t e n, welche Zuverlässigkeit, Geräumigkeit und Schnelligkeit der Boote, unabhängig vom Konstrukteur, sicherstellen!
Und das hat noch keine Formel gekonnt! Das System der Grenzmaße ist ein System zugunsten des Seglers und zuungunsten des Konstrukteurs. Der Segler weiß von vorneherein genau, was für ein Boot er bekommt, und dass kein anderer ihm mit einem extremeren Boot vorbeisegeln kann. Der Konstrukteur dagegen ist gehandicapt, er kann kein „Loch“ finden, durch das er hindurchschlüpfen und an irgendeiner Stelle die Formel zum Extrem ausnutzen kann.
Was der Kreuzersegler will, das ist das derb gebaute, schwere, geräumige und mäßig besegelte Boot, d.h. er will für sein Geld ein Maximum an Wohnlichkeit, Seetüchtigkeit und Dauerhaftigkeit. Wenn wir also endlich jetzt den Mut aufbringen, klassenweise die Grenzbestimmungen für Breite, Deplacement und Geräumigkeit im Anbau an bereits bewährte Typen so groß, wie irgend möglich zu machen, und dabei Länge, Tiefgang und Takelungshöhe nach Möglichkeit zu beschneiden, so bekommen wir mit absoluter Sicherheit solide und brauchbare wirkliche Seekreuzer. Dem Konstrukteur bleibt dann die dankenswerte Aufgabe, um diese Forderungen und Grenzmaße das schnellste Boot herumzuzeichnen!“
Bei diesen krassen Meinungsgegensätzen in der Seefahrtkreuzer-Frage war in Wien für genügend Sprengstoff gesorgt. Einig war man sich alleine darüber, daß die seit 1911 gültige Trennung in Kreuzer- und Rennklassen beibehalten werden musste. Ob man die künftigen Kreuzerklassen jedoch, wie bisher nach dem Grenzmaßverfahren, das für die Klassenboote Maximal- bzw. untere Grenzwerte festlegte, oder nach der rechnerischen KR-Formel vermessen sollte, darüber war ein heftiger Disput entstanden.“
Über den weiteren Verlauf des Disputes erfahren wir Folgendes:
„Der Kampfgeist der Vertreter der deutschen Seglerschaft war jedoch inzwischen verpufft, als man in die Verhandlungen um das zukünftig gültige Meßverfahren und die neue Kreuzerklasseneinteilung einstieg. Die vom D.S.Vb. -Vorstand befürchtete Rede- und Abstimmungsschlacht zwischen den kontroversen Lagern der KR-Formelanhänger und den Befürwortern einer Grenzmaßformel hielt sich demnach in Grenzen. Schließlich erhob sich der Sprecher der Hamburger KR-Verfechter Erich F. Laeisz, damals Deutschlands größter Windjammerreeder, und erklärte sich bereit, dem Siebenervorschlag zuzustimmen, falls man fünf seiner Forderungen mit in die neue Vermessung aufnehmen würde. Hierunter waren die von den KR-Befürwortern geforderte Takelagevergütung bei Zweimastern und die Festlegung der Segelhöhe. Der einlenkende Kompromißvorschlag wurde von den Delegierten mit erleichtertem Händeklatschen honoriert und schließlich stimmten 506 von 588 Stimmen für die Grenzmaßbestimmungen. Das neue Meßverfahren trat zum 1.Januar 1928 in Kraft. Bis 1930 hatten also praktisch zwei, nämlich das bisherige und das neue Meßverfahren Gültigkeit. Die Dauer des neuen Grenzmaßverfahrens wurde bis 31.Dezember 1935 festgesetzt.
Die Fertigstellung der endgültigen Bauvorschriften, sowohl für die Seefahrtklassen, als auch für die Binnenfahrtklassen, wurde vom Siebener-Ausschuß bis zum 1. Dezember in Aussicht gestellt. ... „Anschließend“ so berichtet ein Chronist, „stieg man in den Frack, um bei dem abendlichen Bankett durch die Anwesenheit vieler schöner Frauen daran erinnert zu werden, daß es nächst dem Segeln auch noch andere gute Dinge im Leben gibt.“ Und mit dem Bewußtsein, wichtiges für den zukünftigen Segelsport geleistet zu haben, genoß man das in der Wiener Hofburg stattfindende Abschlussbankett und den daran anschließenden Seglerball.“
Über die Entwicklung der neu geschaffenen Klassen berichtet Kramer:
„Die Bau- und Vermessungsvorschriften für die neuen Fahrtenkreuzerklassen lagen am 1. Dezember 1927 vor. Die Gliederung in 30, 40, 50, 60, 80, 100, 150, und 250 qm Seefahrtkreuzer war eng gefasst, und so vielfältig, daß jeder Eigner das passende Schiff, entsprechend der Größe seiner Brieftasche finden konnte. Da man reine Seeschiffe fördern wollte, waren Schwerter und freihängende Ruder verboten. Aus gleichem Grunde hatte man auch, entgegen den Wünschen der Haff- und der Boddengewässersegler die Höchsttiefgänge nur wenig beschnitten. Es blieb aber jedem freigestellt, den maximal zulässigen Tiefgang auch tatsächlich zu nutzen. Auch für die Länge über Alles waren Maximalmaße vorgegeben. Schiffsbreite, Tiefgang, Freibord, Decksprung, Kajütaufbau waren nach unten begrenzt. Neu für den D.S.Vb. war die Bestimmung, daß die geforderten Mindestbreiten in der Wasserlinie und über Deck auf 0,55 LWL, von vorn abgenommen werden mussten. Diese Meßebene hatte man, wie vieles andere auch, direkt aus den Seglerbund-Vorschriften übernommen. Der 0,55-LWL-Meßpunkt sollte verhindern, daß die Schiffe im Vorschiffsbereich zu rank und achtern zu füllig ausfallen würden. Die vermessungsfähigen Überhänge waren verhältnismäßig groß, denn man hatte bei den Schärenkreuzern gelernt, daß Schnelligkeit, Seefähigkeit und auch Trockenheit beim Segeln durch ausgeprägte Überhänge verbessert werden konnten; ganz abgesehen von der so gewonnenen Decksfläche, die nicht nur der Bequemlichkeit, sondern auch der Sicherheit beim Segelbedienen diente. Der Freibord war jetzt deutlich höher bemessen als bei den Nationalen und ein deutlicher Decksprung war vorgegeben.
Die Mindestmaße des Kajütraums waren so bemessen, daß selbst bei kleinstmöglicher Bauweise ausreichend Wohnraum für Langfahrten bleiben musste. Es lag im Ermessen des Eigners, vom Konstrukteur zusätzlichen Wohnraum zu fordern, auf Kosten der Geschwindigkeit bei leichten Winden. Bis zur 50-qm-Klasse waren Kajütaufbauten vorgeschrieben, die größeren Yachten mussten eine entsprechende Stehhöhe vorweisen.
Auch die Riggvorschriften hatte man ganz auf die Bedürfnisse des Fahrtenseglers abgestimmt. Das Rumpf-Segelflächenverhältnis war handlicher als bei früheren Klassen. Die Takelungsart und die Unterteilung der Segelfläche war freigestellt; die Unterteilung der Segelfläche wurden entsprechend der Hamburger KR-Formel mit einer saftigen Vergütung belohnt. Hohle Masten waren erlaubt. Sie durften jedoch nicht gebogen (z.B. Peitschen-Masten) sein. Das untere Vorstag durfte maximal bis 75% der Segelvermessungshöhe erreichen.
Bei den Klassen bis 80qm durfte ein bezahlter Mann mit an Bord sein, bei der 100-qm-Klasse waren es zwei und bei den 150-qm-Yachten waren drei payed-hands erlaubt. Für die 250-qm-Seefahrtkreuzer gab es keine Beschränkung der Yachtmatrosen. Für die Klassen 100 – 250 qm Segelfläche waren Beiboote vorgeschrieben.
Sämtliche Seefahrtkreuzer, bis hinab zum kleinen Seefahrtdreißiger, mussten unter Lloyds Bauaufsicht in Holz oder Schiffbaustahl gebaut werden und zertifiziert sein. Die Vorschriften ließen den Konstrukteuren und Eignern genügend Freiraum, die für sie günstigste Schiffsform zu finden.
Als erster und einziger Seefahrtkreuzer des Jahres 1928 lief im Herbst der 8ß-er ATHENA bei A&R vom Stapel. Es war ein gelungener Entwurf von Henry Rasmussen. Auftraggeber war Eduard Schilling, der spätere Vorsitzende des benachbarten Weser-Yacht-Clubs. Das Schiff erwies sich nicht nur als handiges Seeboot, sonder war auch ein exzellenter Leichtwindläufer. Es gelang ihm während der Kieler Woche bereits bei schwacher bis mittlerer Brise viel leichter gebaute und höher betakelte Nationale Kreuzer, wie die 75qm KOLIBRI oder die 125qm CILLA zu schlagen. In den folgenden Jahren sollte die ATHENA nicht weniger als 86 erste Preise einfahren.
Trotz der eindeutigen Erfolge der ersten Schiffe entwickelte sich die Neubautätigkeit eher zurückhaltend. Der Zeitpunkt für die Einführung einer neuen nationalen Klasse war schlecht gewählt. 1928 wurde der nach dem Krieg verhängte Sportboykott gegen Deutschland aufgehoben. Deutsche Segler waren damit erstmals wieder bei internationalen Regatten zugelassen. Die neu geschaffenen Klassen hatten vor allem mit den Schärenkreuzern zu kämpfen, die 1928/29 durch die ersten Amerikarennen nach dem Kriege in aller Munde waren.
Hinzu kam das hohe Preisniveau der kräftig gebauten Kreuzer. Ein Seefahrtdreißiger in Luxusausführung schlug 1928 mit 9.000 Mark zu Buche; in einfachster Bauweise war er für 6.500 M zu haben. Ein 40-qm-Seefahrtkreuzer in guter Ausführung kostete 11.000 Mark, ein 60-er 19.500 M und für einen 80-qm-kreuzer musste der Eigner 24.000 Mark auf den Tisch der Werft legen. Hilfsmotor, Konstruktions- und Abnahmehonorar exklusive.
Sicherlich waren die reinen Fahrtensegler auch damals schon ausgeprägte Individualisten. Als solche lassen sie ihr Schiff, wenn sie es sich finanziell leisten können, nach ihrem persönlichen Geschmack, nach ihren Träumen und Neigungen und nach ihren auf See gemachten Erfahrungen bauen. Ein Klassenschiff bot allein dem Auch-Regattasegler einige wenige Vorteile, und selbst dieser überlegte es sich Ende der 20-er Jahre dreimal, wenn ein Klassenkreuzer durch die aufwendige Bauweise nach Lloyds Vorschriften und die notwendige Klassifikation deutlich kostspieliger ausfiel als eine klassenlose Fahrtenyacht, die man im Regattafalle auch nach KR vermessen konnte. Die erheblich größere Länge über Deck, im Vergleich zu frei gebauten Fahrtenschiffen gleicher Segelfläche, trieb den Preis nochmals zusätzlich in die Höhe.
Um den Wertverfall des bereits vorhandenen Bootsmaterials in Grenzen zu halten, war es erlaubt, vorhandene Yachten, sofern sie annähernd den neuen Klassenvorschriften entsprachen, durch Änderung der Takelage in die neuen Seefahrtkreuzerklassen einzureihen. Auf diese Weise hoffte man, auch bei anfänglich geringer Neubautätigkeit, in kurzer Zeit genügend Boote für vergütungslose Klassenregatten zusammenzubekommen. Wichtig hierbei war vor allem die Verdrängung der komplett ausgerüsteten Yacht. Sie musste möglichst durch die Konstruktionszeichnungen oder aber auch durch eine im Winterlager gefertigte Hauptspantskizze belegt werden. Bei den Kajütmaßen drückten die Vermesser gerne sämtliche Augen zu.
Alte 75-qm-Nationale-Kreuzer konnten auf diese Weise nach Reduzierung ihrer Segelfläche der neuen 50-qm-Seefahrtklasse zugeordnet werden, 125-er wurden zu 80-qm Seefahrtkreuzern. Die Takelungshöhen, die ursprünglich 20 - 24 m betrugen, wurden um ca. 1/3 auf 13,5 – 16,5 Meter gekürzt. 125-qm-Nationale durften mit reduziertem Ketsch- oder Yawlrigg als 80-er Seefahrtkreuzer fahren.
Von der Umklassifizierungsmöglichkeit wurde kräftig Gebrauch gemacht. Bis April 1930 waren 24 Seefahrtkreuzer registriert; nur sechs dieser Boote waren auch tatsächlich als Seefahrtkreuzer gebaut worden, die übrigen hatte man adaptiert.“
Weiterhin beschreibt er das „Seefahrtkreuzer-Zeitalter“:
„Vier Jahre später, mit dem Reichsparteitag 1934, manifestierte sich Hitlers Blut und Boden-Ideologie. Der kleine dunkelhaarige, dem Wasser eher abgeneigte Mann aus Österreich hatte den großen blonden, blauäugigen, meererobernden Wikinger zum allgemeinen Zuchtziel des deutschen Volkes auserkoren. Am 24. Oktober bestimmte der Führer in einer Verordnung die neuen Aufgaben und Ziele der „Deutschen Arbeitsfront“, der nationalsozialistischen Nachfolgeorganisation der Gewerkschaften. Die Deutsche Arbeitsfront wird der Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF) unterstellt, die in Zukunft die Freizeit der Deutschen preisgünstig, aber zielgerichtet organisieren wird. Der Deutsche Seglerbund wird liquidiert, der Deutsche Segler-Verband gleichgeschaltet. Das dem KdF angeschlossene Sportamt hatte von nun an sämtliche Bereiche des Sports im Sinne der „Wehrertüchtigung und der Rassischen Vervollkommnung“ zu reorganisieren. Seefahrt wird zur Rassenpflege. Bald heißt es auf dem Titel der Segelzeitschrift Yacht: „DIE BESTEN SEGLER - DIE BESTEN SOLDATEN“.
Mit dem Jahr 1935 läuten die Militärs das „Seefahrtkreuzerzeitalter“ – wie es bald in den Clubhäusern genannt wird – ein. Der Seefahrtkreuzer wurde zum legendären Seeschiff, das die bis dahin sich widersprechenden Eigenschaften Sicherheit, Schnelligkeit und Seefähigkeit in sich vereinte und dazu auch noch wirkliche Bequemlichkeit und Behaglichkeit auf langen Seereisen bot. Man charakterisierte die Seefestigkeit und Stärke der Schiffe auch mit den Worten „Der Seefahrtkreuzer hält länger durch, als die Mannschaft“.
Der gewaltige Entwicklungssprung der Seefahrtkreuzer im „tausendjährigen Reich“ lässt sich auch an der Bauliste der Yachtwerft Abeking & Rasmussen in Lemwerder überdeutlich aufzeigen. Bei anderen Werften war eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen.
Vom Anbeginn der Klasse im Jahre 1928 bis zum Jahre 1934 waren bei A&R nur drei Seefahrtkreuzer unterschiedlicher Größe vom Stapel gelaufen. 1935 baute die Werft u.a. 76 Klassenboote – von der O-Jolle bis hin zur großen Yacht. Die Luftwaffe hatte neben anderen Klassenbooten drei 100-qm und 50-qm Seefahrtkreuzer in Auftrag gegeben, die Marine erhielt zwei 50-er und einen 30-er.
Im Olympiajahr 1936 entstanden in Lemwerder 33 Seefahrtkreuzer, darunter der 150-er ATHENA II, der wunderschöne 125-er Seefahrtkreuzer AR, den Henry Rasmussen für sich selbst baute, bis hin zum kleinen 30-er. 21 Kreuzer waren für die deutsche Marine und für Luftfahrtstellen bestimmt.
Im gleichen Jahr wurden bei A&R auch die ersten Seefahrtkreuzer für ausländisch Rechnung gebaut: Das polnische Amt für Leibesübungen hatte zwei 80-er und vier 50-er Seefahrtkreuzer in Auftrag gegeben. Rasmussen verhandelte mit dem Rumänischen Königlichen Yacht-Club über den Bau von zwei weiteren 80-ern . Im Ausland galten die deutschen Seefahrtkreuzer als das Schönste und Zweckmäßigste, was moderner Yachtbau hervorzubringen hatte. 1938 registrierte der D.S.Vb.:
59Stk. 30-qm-Seefahrtkreuzer
13Stk. 40-qm-Seefahrtkreuzer
105Stk. 50-qm-Seefahrtkreuzer
21Stk. 60-qm-Seefahrtkreuzer
16Stk. 80-qm-Seefahrtkreuzer
18Stk. 100-qm-Seefahrtkreuzer
7Stk. 150-qm-Seefahrtkreuzer
Von den 30-qm Kreuzern waren allein 36 bei der Marine stationiert, sowie vierundfünfzig 50er. Während die Marine hauptsächlich 50-qm-Seefahrtkreuzer in Auftrag gab, bevorzugte die Luftwaffe die 100-qm-Klasse.
Als Hermann Göring auf Rügen den heute noch fahrenden 50-er HIDIGEIGEL für die Luftwaffe in Dienst stellte, hatte er die größte Mühe, seinen Leibesumfang durch den Niedergang zu zwängen. Es soll angesichts dieses Vorgangs sogar verhalten gelächelt worden sein.
Bei der Seewettfahrt „Gotland Rund“ 1939 siegte das Auslosungsboot des Königlich Schwedischen Segel-Clubs überlegen. Es war eine Konstruktion des Schwedischen Konstrukteurs Erik Salander nach den Bestimmungen der deutschen 50-qm-Kreuzerklasse. Die Regatta wurde bei steifer Brise und bei teilweise bis zu drei Meter hoher See ausgetragen. Während auf großen Yachten über schweres Steuern und überrauschende Seen geklagt wurde, segelte das Auslosungsboot neun Stunden lang trocken und bequem mit stetigen 8 Knoten Fahrt und leichter Pinne in den sicheren Sieg. Salander wurde daraufhin beauftragt, einen maßstabsgetreu verkleinerten 50-er mit 35qm Segelfläche und effektiver Renntakelage zu zeichnen. In Schweden gab es damals viele Stimmen, die sich diesen „Bonsai-Kreuzer“ als kommende nordische Einheitsklasse wünschten.
Am 1. September 1939 fielen deutsche Truppen in Polen ein. Furchtbare Kriegsjahre sollten folgen. Das private Kreuzersegeln kam nahezu zum erliegen. In den Werfthallen wurden die schnittigen Lustfahrzeuge durch tarngraue Kriegsmonster verdrängt. In den Segelzeitschriften wurden Themen wie: „Wie übersommert man am besten seine Yacht?“ brandaktuell. Die Seefahrtkreuzer dienten jetzt den Offizieren und Mannschaften während ihres Fronturlaubs als Regatta- und Erholungsfahrzeuge. Mancher von ihnen unternahm mit ihnen seinen letzten Törn. Bei ihren kurzen Seefahrten waren die Mannschaften angewiesen nach feindlichen Schiffen auszuspähen. Die Seefahrtkreuzer sollen auch in größerem Umfang für geheime Späh-, Kurier und Spionagefahrten in ausländischen Gewässern eingesetzt worden sein.“
Über den Niedergang der Seefahrtkreuzerklassen erfahren wir von Kramer folgendes:
„Bereits vor dem 2. Weltkriege waren im umgebenden Ausland unterschiedliche Vermessungsformeln entstanden. Für Hochseerennen hatte der britische Royal Ocean Racing Club (R.O.R.C.) 1931 eine eigene Formel entwickelt, die sich bald ... für internationale Wettfahrten durchsetzen sollte. Die R.O.R.C.-Formel bot den großen Vorteil, daß die Boote im Wasser liegend vermessen werden konnten. Dies vereinfachte das Verfahren, wenn Yachten aus unterschiedlichen Ländern anreisten, die bisher nicht vermessen worden waren oder keinen gültigen Missbrief mitführten. Die Schwäche der R.O.R.C.-Formel war, daß die Schiffsform unter Wasser kaum berücksichtigt wurde. Bei der Ocean Racing Rule spielte das „in die Formel Passen“ eine wichtige Rolle. Boote gleicher Größe – ja gleicher Klasse – konnten durch sie sehr unterschiedlich bewertet werden.
Daneben hatte sich in Europa eine weitere internationale Regel, basierend auf der damaligen Skandinavischen Ostsee-Regel und der Formel des American Cruising Club etabliert. Diese war der Ocean Rule sehr ähnlich.
Solange sich das Reich selbst isolierte und nationalsozialistische Nabelschau hielt, spielte es eine untergeordnete Rolle, was außen herum passierte. Doch nach dem Kriege war auch im deutschen Segelsport wieder eine neue Zeit angebrochen. Internationales Miteinander, wie auch internationale Regatten, mussten gefördert werden.
Auf dem Seglertag 1949 siegte die von Henry Rasmussen neu überarbeitete KR-Formel – die der R.O.R.C.-Rule in vielem angenähert war – über die bisherige Grenzmaßvermessung. Gemäß Harry Wustrau hatten jetzt die Konstrukteure wieder gesiegt.
Obwohl gleich nach dem Krieg wieder einzelne Neubauten zu verzeichnen waren, wurden die Seefahrtkreuzer 1952 zur Altersklasse erklärt. Dort, wo noch genügend Boote gleicher Klasse zusammen kamen durften sie als Seefahrtskreuzer miteinander regattieren. Neubauten wurden jedoch keine mehr abgenommen. Vorhandene Klassenscheine konnten, sofern das Boot weiterhin den Bestimmungen entsprach, jeweils um drei Jahre verlängert werden.
Den unterschiedlichen Klassengrößen wurden nach der Rasmus’schen KR-Formel folgende Einheitswerte zugeteilt, unter denen sie fortan mit anderen Bootstypen zu regattieren hatten:
30-qm-Seefahrtkreuzer = 6,5-KR-Klasse
40-qm-Seefahrtkreuzer = 7,5-KR-Klasse
50-qm-Seefahrtkreuzer = 8,5-KR-Klasse
80-qm-Seefahrtkreuzer = 11-KR-Klasse
100-qm-Seefahrtkreuzer = 12-KR-Klasse
150-qm-Seefahrtkreuzer = 15-KR-Klasse
Vielen Seglern war die Bevorzugung der KR-Formel durch den Seglertag unverständlich. Man warf dem D.S.V. vor, mit der Annahme der KR-Formel ein grobes Fehlurteil gefällt zu haben. Für die meisten Seesegler war der Seefahrtkreuzer die beste Klasse, die der Deutsche Segler-Verband jemals beschlossen hatte. Auch im Anschluß gab es kaum eine Bootsklasse, die dem Seefahrtkreuzer in Einrichtung, Geschwindigkeit, Seetüchtigkeit und Ästhetik ebenbürtig war.
Der Seefahrtkreuzer war die letzte große Holzbootklasse in Deutschland und somit der Höhepunkt des traditionellen Holzyachtbaus. Wasserfeste Leime, entwickelt für den Flugzeugbau im 2. Weltkrieg, ermöglichten den um bis zu 50% günstigeren Serienbau aus wasserfestem Sperrholz. 1954 wurde in Deutschland der erste GFK-Rumpf laminiert. Das neue Bootsbaumaterial der Großchemie sollte den Yachtbau grundlegend revolutionieren und völlig neue Yachttypen schaffen. Individuelle Einzelbauten wurden die Ausnahme: der anonyme Großserienbau begann. Die moderne Zeit der Werftklassen war angebrochen.“
Soweit aus dem Artikel über die Geschichte der Seefahrtkreuzer von Klaus Kramer.
Damit endete natürlich nicht die Geschichte dieser wundervollen Boote, denn auch nach dem Krieg wurden, gerade in Osteuropa, noch nennenswerte Stückzahlen gebaut. Etliche Boote wurden ja von den Engländern als sogenannte „Windfall-Yachten“ in die neue Heimat gesegelt und auf die weit verstreuten Einheiten der RAF und der Navy verteilt. Auf dem Plattensee in Ungarn entwickelte sich die zahlreiche Klasse der „Balaton-Fünfziger“ nach dem Vorbild der 50qm-Seefahrtkreuzer usw. usw.
Dazu kommen wir später sicherlich noch...
Aktualisiert: 01.12.2005