Auf dieser Seite: Oficerski Y.C. Gdynia 1936–1939, dt. Luftwaffe -1945, Royal Airforce –1990, Les Hartley -2001
Oficerski Yacht Club Gdynia, Polen 1936 - 1939
Anfang November 1936 wurde des Polnische Marine-Transportschiff „Wilja“ auf der Weser mit einer kleinen Flotte von erstklassigen neuen Yachten beladen, um sie in ihre zukünftige Heimat Gdynia in der Danziger Bucht zu bringen. Der neue Oficerski Y.C. hatte bei der renommierten Werft Abeking & Rasmussen eine Reihe von Booten bestellt: zwei 80iger Seefahrtkreuzer, vier 50iger Seefahrtkreuzer, zwei 6mR-Yachten und sechs Starboote. (vgl.Yacht, Nov. 1936). Einer der 50iger war „Rusalka“. Wie auch die drei anderen 50iger war sie nach den Linien der A&R BauNr. 3038 („Seehecht“ 1936) gebaut worden, wohingegen der Segelrisse dem der BauNr. 2907 („Seebär“ 1935) entsprachen. Nach den drei Linienrissen und dem einen Segelriss, die Henry Rasmussen für die 50qm Klasse schuf, entstanden von 1935-38 nicht weniger als 34 Boote. (vgl. „A&R Baunummernliste“). Motoren bekamen nur die beiden 80iger, und die Segel für alle Boote lieferte, wie üblich, die Segelmacherei Wilhelm Mählitz, Lemwerder.
Als Schulungsboote fuhren „Rusalka“ und ihre Schwestern in den folgenden drei Jahren Touren und Regatten auf der Ostsee. Unter anderem waren sie bei der neuen Seeregatta „Gotland Runt“ 1937 und 1939 dabei und ihre Mannschaften verdienten sich Respekt und Anerkennung bei ihren deutschen und schwedischen Mitstreitern – allerdings wohl mehr durch ambitioniertes Segeln und gute Kameradschaft, als durch gute Platzierungen und herausragende Regelkenntnisse. (Ich fühle mich als jetziger Eigner diesen Prioritäten also aus Tradition verpflichtet ;o). 1938, während der Zoppoter Woche wird Tad. Boresiencz als Skipper von „Rusalka, Segelzeichen V PZ 2“ genannt. (Yacht H.33, 1938).
Im September 1939 marschieren deutsche und russische Truppen in Polen ein und teilen das Land zum vierten Mal in seiner Geschichte. In der „Yacht“ (Heft 44 vom 04.11.1939) findet sich ein mehrseitiger Artikel über die „Befreiung“ der Danziger Bucht. Der Ton der „Berichterstattung“ verschärft sich von unangenehm (1936) auf unerträglich (1939): Bildunterschrift „Das alte Klubhaus des polnischen Offiziers-Yachtklubs. Davor (stehen) einige, erst von uns aufgebockte Yachten, in Deutschland gebaute Seefahrtkreuzer, die nun endlich eine sportgerechte Behandlung erleben, nachdem mit den Deutschen zum erstenmal richtige Ordnung nach Gotenhafen gekommen ist.“ Offenbar hatten die Polnischen Offiziere es bis November nicht geschafft, die Boote heraus zu nehmen, weil sie damit beschäftigt waren, einen aussichtslosen Kampf um ihre Heimat zu führen... Man fand im zum „Gotenhafen“ umbenannten Gdynia (dt: Gdingen) u.a. nur drei der vier 50iger. Die „Panna Wodna“ war schon 1939 aus Lloyds Yachtregister verschwunden und tauchte 1940 mit Einschusslöchern an Schwedens Küste wieder auf (als „Cirrus“, heute wieder als "Panna Wodna" in Holland). Und so endet das kurze Kapitel der polnischen Seefahrtkreuzer: Obwohl die deutsche Luftwaffe die Boote übernimmt, sind sie bei Lloyds noch bis 1947 unter ihrem alten Namen und Eigner registriert. Ihre Überlebens-Chancen waren weit höher als die ihrer ehemaligen Mannschaften, denn mit der ihm eigenen Skrupellosigkeit hatte Stalin, nach der Besetzung des Landes, alle polnischen Offiziere hinrichten lassen.
Deutsche Luftwaffe 1939 – 1945
Nachdem die Luftwaffe die Boote an sich genommen hatte, wurde „Rusalka“ zu „Sperling“ (1942) und „Bozenna“ zu „Theoderich“ (1943). Die Boote wurden weiterhin ohne Maschine als Schulungsboote genutzt. Weitere Informationen, wie Segelnr., Heimathäfen, oder Reisen und Regatten (die mit Sicherheit stattgefunden haben), habe ich für diesen Zeitraum noch nicht ausfindig machen können. Die armdicken Yacht-Jahrgänge, die sonst voller Hinweise stecken, sind in den Kriegsjahren nur noch fingerdick, und ähnliches dürfte wohl für die damaligen Segelaktivitäten gelten. Auch die Umstände des „Eignerwechsels“ zum Ende des Krieges liegen noch im dunkeln.
Royal Airforce 1945 – 1990
1945 wurde unser Boot zum zweiten mal in seinem jungen Leben „befreit“. Die Briten zeigten verständlicherweise ein hohes Interesse an den hervorragenden Yachten, die sie vorfanden, und so kamen Hunderte von Yachten über 10m Länge nach Groß Britannien. „Windfall“ nannten sie das passender weise – also Windbruch ( = das was man nach einem schlimmen Sturm einfach mitnehmen kann). Ich hörte mal an einem Steg in Guernsey, wie ein alter englischer Segler den Sachverhalt erklärte: „The windfall-yachts were then brought back to England, well, in fact they were stolen...“
Wie auch immer, die neuen Eigner bauten 1948 die erste Maschine ein, einen Stuart Turner Benzinmotor mit 2 Zylindern und 8 PS. Diese Motoren, die seit 1929 jahrzehntelang fast unverändert gebaut wurden, müssen demnach wohl recht zuverlässig gewesen sein, auch wenn uns heute schon die Erwähnung von Benzinmotoren Schauer über den Rücken jagt. Ab 1953 finden sich wieder ein Einträge bei Lloyds. Der Name „Sperling“ wurde beibehalten und der Eigner war nun der 1952 gegründete Flying Training Command Sailing Club R.A.F., Southampton, dessen Clubhaus „The Welsh Harp“ in Hendon sich verdächtig nach einem Pub anhört, aber der Club hatte ja auch nur dieses eine Boot registriert. 1958 wurde ein neuer Motor installiert – der plietsche Leser ahnt es schon – das selbe Modell, bloß neu. Aufgrund der Angabe von verschiedenen Rennwerten (z.B. 1957 RORC 27.53 ft) dürfen wir wohl annehmen, dass ausgiebig auf dem Solent regattiert wurde. Dafür sprechen auch die gelegentlichen neuen Segel von zunächst Lucas (1951) und später von Williams (1959,’61,’62). Auch die alte Regattawunde am Boot (an der Stb-Außenhaut auf Höhe des Cockpits) wird wohl bis dahin erworben worden sein – ein mächtiges Dreieck, fast bis zur Wasserlinie. Da wollte wohl einer zu knapp am Heck vorbei...
1963 gab es einen Eignerwechsel, wenn man so will, obwohl das Boot ja unverändert der Regierung gehörte. Lloyds gibt als Eigner das Coastal Command R.A.F. in Southampton an. Vielleicht hat ja auch nur der Eigner seinen Namen geändert. Schon zwei Jahre später werden keine Rennwerte mehr angegeben, „Sperling“ fuhr nun seit fast 30 Jahren im harten Schulungs- und Regatta-Betrieb, vielleicht war mit ihr kein Blumentopf mehr zu gewinnen, oder die Jugend wollte lieber mit modernen GFK-Booten heizen, auf denen nicht ständig einer lenzen musste, wenn’s zur Sache ging.
Über die folgenden 10 Jahre haben wir noch keine Informationen. 1975 nennt Lloyds die R.A.F. Sailing Association, Portsmouth als Eigner. Heimathafen war jetzt Plymouth (also fast schon Cornwall). Ob die ersten Wattstützen erst hier oder schon im Solent eingerichtet wurden, wissen wir nicht, aber letzteres scheint mir plausibel. Die Segelnummer war ab 1975 „824“ (und blieb es bis 2002). 1980 endet „Lloyds Register of Yachts“, um als „Lloyd's Register of Classed Yachts“ weitergeführt zu werden. zu dieser Zeit sind die Segel von „Sperling“ 18 Jahre alt, und die Maschine 22, das Boot selbst 44. Irgendwann ist die Kajüte um zwei Spantabstände verlängert, und dem Zeitgeist angepasst worden (hässlisch!). Es ging wohl langsam bergab mit dem Mädchen.
Ein Gutachten, das 1990 in Leight on Sea, Essex für den Verkauf des Bootes angefertigt wurde, berichtet von dem damaligen Zustand: „...ziemlich dreckig und ungepflegt, zeigt aber keine Anzeichen von Deformierung ... die meisten Teile des Rumpfes sind in guter Verfassung, aber der Vorsteven ist oben stark ausgetrocknet und gerissen ... muss teilweise ersetzt werden, ... durch viele Plankennähte scheint die Sonne und der Rumpf ist nur geprimert, ... es sind kaum Decksbeschläge vorhanden, ... Das Ruder und die Pinne sind nicht mehr zu gebrauchen ... Das Sperrholzdeck ist an vielen Stellen weich-gerottet, ... die Einrichtung ist in sehr schlechtem Zustand und auch nicht original, sollte erneuert werden, ... das stehende Gut ist verrostet und sollte ersetzt werden, ... der Motor ist nicht mehr vorhanden, aber ein fester Dreiblattpropeller mit Welle, ... die Elektrik ist hin, ... , Fazit: Das Fahrzeug ist für das Alter und den Typ in ziemlich gutem Zustand, und verdient eine Überholung, weil sie von klassischer Form und Ausführung ist. ... wird mit 10.000 englischen Pfund bewertet.“
Les Hartley, Goole (River Humber) 1990 – 2001
Als Les das Boot kaufte, war er Anfang 50 und war selbstständiger Tischlermeister. Er legte seine neue alte Yacht nach Goole, dessen durch eine Schleuse geschützte Hafenanlagen etwa 55 sm flussaufwärts von der Mündung des River Humber liegen. Um dort zu segeln, musste man bei Hochwasser den Humber hinabfahren (ca. 20 sm) und konnte dann in der (sonst trockenfallenden) Mündung segeln, bis es die zurückkehrende Flut ermöglichte, den Fluss wieder hinaufzufahren. Alle Häfen dort fallen entweder trocken, oder können nur bei Hochwasser angelaufen werden. Der typische Törn dauerte also etwa 12 Stunden, no matter what. Das war aber gar nicht so schlimm, denn fast schien es dem Eigner mehr Spaß zu machen, an seinem vielbewunderten Boot zu bauen, als damit zu segeln. Im Laufe von 10 Jahren reparierte er Spanten, erneuerte die Kielbolzen, installierte einen neuen Motor, flickte das Deck, baute einen neuen Kajütaufbau mit Türen, geschliffenen Bulleyes, Oberlicht etc, und machte die Salon-Einrichtung neu. Das wird wohl hauptsächlich an den Wochenenden passiert sein, denn wohnen tat er ja in Sheffield (50 km von ab). Als er Ende der 90iger einen Herzinfarkt erlitt, sah er schweren Herzens ein, dass er wohl weniger Arbeit und mehr Kajüte brauchte, und so lag Dornröschen mit hellblauem Deck und uralten Segeln im Schlaf zwischen Motorseglern und Wohn-Bargen, und wartete auf ihren Prinz.
Jan Huerkamp, Wolgast 2001 –
Etwa zur selben Zeit begab es sich, dass ein junger, frischgebackener Ingenieur eine gute Anstellung (natürlich erst ab dem Spätherbst), und etwas Geld in der Tasche hatte, und er wollte jetzt mal ein richtiges Boot haben. Es sollte groß genug sein, dass man aufrecht leben könnte, natürlich gut aussehen und anständig segeln, und eigentlich ein Arbeitsboot sein (Gaffelsegel und so...). Ich fuhr eine Woche mit dem Auto die Ostküste Englands ab und suchte in den schlammigen Flussläufen nach dem Boot, das selbst noch nicht wusste, dass es zu verkaufen war. Was ich fand war oft in mäßigem Zustand und eigentlich immer teuer. Der rote Nissan-Wind blies mich auch mal nach Goole und der Manager der „Viking-Marina“ war tatsächlich „a nice chap“, wie mir vorab versichert worden war. Ich sagte mein Sprüchlein auf, aber das was mir vorschwebte gab’s natürlich nicht im tiefen Binnenland, aber die Yacht da ist zu verkaufen... Mir war im vorbeigehen eher die gewöhnungsbedürftige Farbkombination aufgefallen, aber auf dem Zettel stand was von Aberking & Rasmuden. Der Preis war zwar weit jenseits meiner Möglichkeiten, aber Ankucken kostet ja erst mal nix: Der scharfe Bug ragte über den Rasen am Rand der Box, lang und schmal...Klassische Yachten sehen doch erst mal alle gleich aus. Tja, Dornröschen hättest du anders rum in der Box gelegen, hätte ich dich sofort wach geküsst (denn schräg von achtern ist sie unwiderstehlich), aber so brauchte ich zwei Stunden, bis die Neugier dem Kribbeln und der Aufregung wich, bis die Hirnwindungen anfingen zu rattern: Geldbeschaffung, Terminplanung, Seeklar machen, Überführung, Mannschaft, Ausrüstung...
Der Oktober 2001 war ungewöhnlich mild und wir hatten nur mäßige Winde aus Ost, und trotzdem kotzte ich mir zwei Tage lang die Seele aus dem Leib, und die Schlafsäcke waren ja auch nass, weil das Deck nicht dicht war, und ich hatte schon leise Zweifel, ob ich mich nicht etwas vertan hätte, aber zum Glück schien bei Helgoland die Sonne und alles wurde gut.
In den letzten drei Wintern habe ich ca. 1100 Stunden an Rusalka gearbeitet, und in den Sommern sind wir nicht weniger als 4000 sm gesegelt, Ostsee, Nordsee und Canal, und – es wird immer besser.
Aktualisiert: 12.11.2004