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Jarvis-Brasswinden
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3 & 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7 & 8
Quellen
Abbildungen 1-23
Abbildungen 24-42
Anhänge
Rügens Fischerboote
Boote der Bodden
Rügischer Schiffbau
Frachtsegler Rügens
Dt. Kleinschiffahrt
Seefahrtkreuzer
GutshausNeuenkirchen
Übersicht

 

Inhalt

1.      Einleitung     

1.1          Geschichtlicher Hintergrund (von Piet Meereboer)

1.2         Die Winden der „France II“

1.3         Brasswinde nach Middendorf und andere Vorlagen

1.4         Vorgehensweise bei der Konstruktion 

2.      Auswertung der Quellen

2.1         Underhills Zeichnungen

2.2         Piet Meereboers Papier   

2.3         Marcel Wurst’s Papier

3.      Festlegen der Brassführung

4.      Ermittlung der Brass-Längen und der Trommelgrößen

5.      Lastannahmen

5.1         Berechnung der Bruchkraft der Brasswinden

5.2         Berechnung der notwendigen Brasskräfte

5.3         Ermittlung der erforderlichen Untersetzung des Vorgeleges

6.      Konstruktion der Winden

6.1         Abmessungen

6.2         Anordnungen

7.      Spannungsnachweis

8.      Motoren- oder Handantrieb ?

9.      Quellen

Anhang

-          „De inrichting en werking van de braslier von Capt. J.C.B. Jarvis“ von Piet Meereboer

-          GL Vorschriften für moderne Riggkonzeptionen (Auszüge)

-          Diskette mit der Exceldatei (ursprüngliche Version von Piet und veränderte Version)

 

1.   Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den theoretischen Grundlagen, die erforderlich sind, um die geplante Fünfmastbark für Kreuzfahrtzwecke „France II Renaissance“ mit Brasswinden nach dem Jarvis-Patent auszurüsten. Ergebnisse sind die prinzipielle Konstruktion der Winden und die Führung der Brassen auf dem Schiff.

 

1.1           Geschichtlicher Hintergrund

Die folgende Einleitung ist eine Übersetzung der Einleitung aus dem Papier „De inrichting en werking van de braslier van Capt. J.C.B. Jarvis“ von Piet Meereboer, dem ich für das zur Verfügung stellen seiner Broschüre und der dazugehörigen Exceldateien zu Dank verpflichtet bin. (Das Papier ist im Anhang angefügt)

Im Konkurrenzkampf mit der sich entwickelnden Dampfschiffahrt war man in der Segelschiffahrt stets auf der Suche nach Möglichkeiten, die Unterhaltskosten der Segelschiffe zu senken. Im Vergleich zu Dampfschiffen waren die großen Segelschiffe relativ preisgünstig. Um diese in Fahrt zu halten, mußte man jedes Jahr einen Teil der Segelgarderobe und das verschlissene laufende Gut erneuern. Diese Kosten waren verglichen mit den Brennstoffkosten der Dampfer eher klein. Die Kosten für einen Neubau lagen bei den Seglern viel niedriger, weil keine teuren Anlagen eingebaut werden mußten. An diesen Kosten konnte sowieso nicht mehr viel eingespart werden. Im Gegensatz zu den Personalkosten, die ein großes Einsparpotential boten. Für einen englischen Klipper um 1850 wurden ca. 35 Mann Besatzung benötigt. Um die Jahrhundertwende war die Mannschaft auf 20 reduziert worden für Schiffe, die drei bis viermal so groß waren (Tonnage)!

Diese Mannschaftsreduzierung wurde durch zwei Maßnahmen erreicht. An erster Stelle stand die Vereinfachung der Takelagen. Es kamen immer mehr Barken in Fahrt. Viele Vollschiffe wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zur Bark umgetakelt. Der nächste Schritt führte zur Schonerbark, der Jackass-Bark und den Gaffelschonern, von denen der Größte ein Siebenmaster war.

Außerdem wurden die verschiedenen Segel kleiner. Das Marssegel war so groß, daß das Schiffsvolk Schulter an Schulter auf der Rah lag um es zu bergen oder zu reffen. Durch die Teilung des Marssegels in zwei Segel (Unter- und Obermars) waren die beiden Einzelnen nicht nur leichter zu handhaben, sondern es entfiel auch das arbeitsintensive Reffen des ungeteilten Marssegels. Kapitäne, die gern schnelle Reisen machten, standen dieser Art von Neuerung nicht so offen gegenüber, denn dadurch entstand zwischen den Segeln ein Ausschnitt, durch den der Wind entweichen konnte...

Zum Ende des 19. Jh. wurden auch die Bramsegel geteilt. Über dem Bramsegel stand schon das Royalsegel. Das Royalsegel blieb unberührt und aus die Bram wurde geteilt in Unter- und Oberbram. Schließlich wurde die gesamte Segelgarderobe reduziert. Fuhren die Klipperschiffe noch Sky- und Leesegel, so kamen diese doch auf den Windjammern nicht mehr zur Anwendung. Die Takelung wurde breiter und weniger hoch. Wenn auch noch die Royals weggelassen wurden, sprach man von einem Jubilee-rig oder Baldheaded-rig.

Eine zweite Maßnahme zur Reduzierung der Mannschaft war die Verwendung von Winden. Und hier kommt Kapitän J.C.B. Jarvis ins Spiel. Winden konnten entwickelt werden durch die Einführung von Eisen- und Stahldraht. Das Heißen der Rahen und das Umbrassen eines ganzen Mastes war schwere Arbeit und erforderte viele Leute. Hier konnte man Arbeitskraft sparen.

Jarvis hat mehrere Erfindungen gemacht, darunter die Fallwinden (für Rahen) und Schotwinden, aber die Erfindung der Brasswinden in den 90iger Jahren des 19. Jh. war gewiß die bedeutendste. Abgesehen davon, daß man nun mit weniger Leuten umbrassen konnte, hatte die Winde auch den Vorteil, daß sie mittschiffs stand. Dadurch lief die Mannschaft weniger Gefahr, weggespült zu werden, wenn das Leeschanzkleid, an dem die Brassen bedient werden mußten, durchs Wasser zog.

Und doch wurde die Brasswinde in England nicht allgemein angewandt; konservativ, wie sie waren, interessierten sich die Kapitäne der Segelschiffahrt nicht für niemodsche Ideen.

Auf den letzten großen Segelschiffen wurde noch ein Dampfkessel an Bord eingeführt: Der Donkey-Kessel. Hiermit konnten die Winden und Gangspills angetrieben werden.

 

Abbildung 1: Die technische Nachempfindung der Zehntrommel-Brasswinde der FR II. Die Dimensionen und das Funktionsprinzip sind identisch mit den herkömmlichen (6-Trommel) Winden, nur sind außen je zwei Trommeln für die Brassen der Unter- und Oberbram hinzugefügt. (Zeichnung von Jan Huerkamp)

Abbildung 2: Das Deck am Achtermast (der 4.) des Fünfmastvollschiffs „Preußen“. Hier tummeln sich die Winden: im Vordergrund eine Dampfwinde mit Kettennuß für Transmission, rechts eine provisorisch beschwerte Krüppelwinde (der Klappläufer mit dem Sack schwebt hinter dem Mast), dann (wie hier üblich) vor dem Mast die Brasswinde für die Mittelmastbrassen, dann die Schwungräder der Pumpen, dann (hinter dem Mast) die Brasswinde für den Kreuzmast, eine Fallwinde für die Obermars- oder die Oberbramrah, dann eine Ladewinde (zu oder von der die Kettentransmission führt), vor dem Boot ein Gangspill, und unter den Trägern der Boote hängt noch eine Relingswinde (horizontaler Spillkopf). Einen Schritt hinter dem Rufer läuft das Steuerseil von der Rudermaschine achtern zum Steuerrad auf dem Brückendeck. Die oberen seitlich gut fixierten Umlenkblöcke der Unterrah- und Untermarsrahbrassen sind recht tief unter der Saling angebracht, damit sie nicht an den Untermarsschoten (die mit kleinen Blöcken zum Mast geholt werden) schamfilen. Gut zu erkennen auch die nach vorn laufenden unteren Brassen des Kreuzmastes, mit ihrem ungünstigen Zugwinkel. Von den Backbordpardunen (rechts im Vordergrund) laufen über den Unterstag des Kreuzmastes fest angebrachte Seile zu den Steuerbordpardunen (in etwa 4 m Höhe über dem Deck). Diese sollen verhindern, daß das (gerade nicht angeschlagene) Stengestagsegel auf die Boote oder die Säule des Peilkompasses fällt (oder sie hochreißt). (Abb. Aus dem Buch „Fünfmast-Vollschiff Preussen“ von Horst Hamecher, im Folgenden kurz „Preussen Buch“ genannt).

Abbildung 3: Die Preussen an der Pier. Hier sind gut die Details der enormen Takelage des Fünfmastvollschiffes zu erkennen.  (Abb. Aus dem Preussen Buch)

Abbildung 4: Das Deck der Preussen. Trotz der Hafenbetriebsmäßigen Unordnung an Deck scheint unverkennbar die selbstverständliche Professionalität durch. (Abb. Aus dem Preussen Buch).

Abbildung 5: Brasswinde der Viermastbark „Lawhill“. Einige Unterschiede zu den üblichen deutschen Winden sind deutlich, und haben vielleicht mit dem frühen Baujahr der Winde (1892 – nur 2 Jahre nach der Patentanmeldung) zu tun: Die Antriebswelle wird seitlich durch schräge Flacheisen gestützt (statt durch eine durchlaufende Stange rechtwinklig zu den Wellen), das Arretierblech für das Kleine Antriebsrad scheint nicht vorgesehen zu sein, und ich kann einfach die Bremse nicht finden (sollte links sein). Die Kurbel rechts ist etwas mehr verbogen, als die meisten. (Abb. Aus dem Buch „The Fourmasted Barque Lawhill“ von Kenneth Edwards).

Abbildung 6: Das Deck der „Lawhill“. Aus dieser Perspektive sind die Unterschiede zu den deutschen Winden gut sichtbar. (Abb. Aus dem Lawhill Buch).

Abbildung 7: Die Viermastbark „Moshulu“. Eine eher seltene Ansicht eines großen Rahseglers. Sie vermittelt einen sehr guten Eindruck des Deckslayouts im Zusammenspiel mit der Takelage. (Abb. Aus dem Buch „Learning the Ropes“ von Eric Newby).

Abbildung 8: Das Deck der „Moshulu“ in schwerer See. An der Unaufgeregten Haltung des Offiziers auf dem überspülten Deck lässt sich schließen, dass es sich offenbar um eine vertaute Situation handelt. Die Vorteile der Brassenbedienung hauptsächlich von der Schiffsmitte, statt von der Reling aus werden dadurch gut illustriert.

1.2           Die Winden der „France II“

Die 1913 bei der Chantier de la Gironde in Bordeaux gebaute Fünfmastbark mit Hilsmotoren „France II“ gehörte zur letzten Generation der Frachtsegler (wenn man sie noch als Segler bezeichnet, weil sie ja von Anfang an Hilfsdieselmotoren hatte, die allerdings nach dem 1. Weltkrieg ausgebaut wurden).

So hatte die alte „France II“ natürlich auch Brasswinden. Sie wurden von der Firma Lesauvage et Patras, Le Havre in Lizenz hergestellt. Die Winden dieses gigantischen Schiffes waren allerdings dadurch einzigartig, daß sie statt der üblichen 6 Trommeln (mit denen 3 Rahen eines Mastes kontrolliert werden konnten) 10 Trommeln hatten. D.h. alle Rahen an jedem der 4 vollgetakelten Masten konnten mit den Winden gebraßt werden. Auch die geplante neue Fünfmastbark für Kreuzfahrtzwecke „France II Renaissance“ soll solche erhalten. Der Entwurf der Takelage für dieses Schiff ist in meiner Diplomarbeit dargestellt.

Abbildung 9: Die Fünfmastbark mit Hilfsmotor „France II“. Hier einmal unter vollen Segeln. Nicht wirklich schön, aber mit Sicherheit imposant. Das Bugspriet geht nicht, wie gewohnt durch ein Schott vor dem Backdeck, sondern ist einfach auf das Backdeck genietet. Das ergibt eine recht gewöhnungsbedürftige Optik - könnte man auch hässlich nennen.

Abbildung 10: Die „France II“ als Neubau. Die 4 rahgetakelten Masten sind identisch bis ins Detail. Der Bug mit dem Extrasprung gibt der zweiten Fünfmastbark mit dem Namen „France“ ihr unverwechselbares Profil.

Abbildung 10a: Eine typische französische Brasswinde. Oder das, was sich der Illustrator des Buches „Grand Voiliers Francais“ von Jean Randier darunter vorstellt. Ich denke es handelt sich eher um eine schematische Darstellung, die den prinzipiellen Aufbau verdeutlichen soll.  

 

1.3           Brasswinde nach Middendorf und anderen Vorlagen

Als Vorlagen für die Konstruktion der Brasswinden werden die noch in Betrieb Befindlichen auf der „Sedov“ und der „Krusenstern“ (beides ehemalige deutsche Viermastbarken) und die Zeichnungen von Middendorf benutzt. Die Beschreibung der Wirkungsweise und die Konstruktionszeichnungen der damals üblichen Winden sind in den Anlagen 1-3 wiedergegeben.

Originalunterlagen für die 10-Trommel-Winden waren bisher nicht zu finden. Allerdings ist aus der Zeichnung des Decksarrangements der „France II“, die von H.A. Underhill angefertigt wurden, die prinzipielle Anordnung der Trommeln zu erkennen.

Die Fotos auf den folgenden Seiten zeigen die Winden der „Sedov“, die nahezu unverändert in Gebrauch geblieben sind und mit den Zeichnungen von Middendorf genau übereinstimmen.

Abbildung 11: Brasswinde mit gemütlichen Dänen?. Eine Abb. Aus dem dänischen Standard-Werk „Handbuch der praktischen Seemannschaft“ von Jens Kusk Jensen. Ich weiß nicht, ob die Dänen ihre Brasswinden aus Hamburg bezogen haben, oder ob das Bild auf einem deutschen Schiff gemacht wurde.

Abbildung 12: Der dazugehörige Text aus dem Kusk. Endlich mal eine Bedienungsanleitung für diejenigen, die noch keine im Betrieb gesehen haben.

Abbildung 13: Winde am Besanmast der „Sedov“ (Achtermast-Brassen). Weil die Winde vor dem Mast steht, sind die Hilfswelle und die Bremse auf der anderen Seite der Mittelwelle (vorn) montiert. Dadurch sind auch die Brassen anders auf die Trommeln geführt, denn die Brassen der Unterrah und der Obermarsrah (vorn) müssen den Hilfsrädern weichen, und alle anderen Brassen folgen logisch dieser Vorgabe.

Abbildung 14: Winde am Achtermast der „Sedov“ (Großbrassen) von Bb gesehen. Gut zu erkennen die Anordnung der Bremse und des Stopper-Riegels. Die Wannen, die auf den unteren Stangen liegen sollen das Herabfallen von Fett auf das Deck verhindern.

Abbildung 15: Dieselbe Winde von Stb gesehen. Die Rohre auf den Kurbelgriffen haben einen Durchmesser von 45 mm, fühlen sich aber ein bißchen zu groß an (40 oder 36 mm könnte man besser greifen) und sie haben auch zu viel Spiel. Die Stopper-Riegel haben nicht (mehr ?) Stifte, die durch sie selbst und ihre Auflage gesteckt werden (um sie zu arretieren), wie die zeitgenössischen Zeichnungen zeigen, sondern einen entsprechenden kurzen Stift, der an der Unterseite vorseht und in das dafür vorgesehene Loch passt. Das funktioniert auch, ist leichter und schneller, aber nicht so sicher (siehe auch Anlage 3a).

Abbildung 16: Die Zahnräder dieser Winde. Links das Kleine Antriebsrad, das gerade in das Untere Antriebsrad greift, und die beiden Hilfsräder auf der Hilfswelle. Der 2. Gang ist eingelegt. Um den 1. Gang einzulegen, werden die Hilfsräder auf der Hilfswelle verschoben bis das kleine Rad in das Untere Antriebsrad greift, und dann verschiebt man die Antriebswelle, bis das Kl. Antriebsrad in das Große Hilfsrad greift. Rechts zu sehen: das Verbindungsrad und die beiden Außenräder. Um den 3. Gang einzulegen, verschiebt man die Antriebswelle noch weiter nach rechts, so daß das Große Antriebsrad in das Verbindungsrad greift. Auf dem linken Bild kaum zu sehen ist das hoch geklappte Halteblech, das das Kl. Antriebsrad (und damit die Antriebswelle) in den 3 verschiedenen Positionen fixiert. Rechts sieht man, daß die Brassen der Unterrah und der Obermars gefettet sind, während der Draht der Untermarsrah trocken (verzinkt) ist.

1.4           Vorgehensweise bei der Konstruktion

ist wie folgt:

·         Sichten und Überprüfen des von Piet zur Verfügung gestellten Materials (Theoretische Grundlagen der Längen- und Durchmesserermittlung sowie der Exceldatei)

·         Festlegen der Brassführung

·         Erweitern der Exceldatei, um auch die Bramrahen berücksichtigen zu können (Als Ergebnis werden die Längen aller Brassen und die Trommelgrößen und Durchmesser ermittelt)

·         Berechnung der Bruchkraft der Winde (Summe der Bruchkräfte der Luvbrassen)

·         Berechnung der zum Brassen erforderlichen Kräfte unter verschiedenen Segelzuständen (Als Ergebnis wird eine sinnvolle Untersetzung der Zahnräder für den Handbetrieb ermittelt)

·         Konstruktion der Winde (Anordnung und Dimensionierung der Bauteile, Zeichnungen)

Die Definition der Bezeichnungen der Einzelteile der Winde erfolgt in Anlehnung an die Zeichnungen aus dem Buch „The Fourmasted Barque Lawhill“, die auf den Seiten 25-27 von Piets Meereboers Papier wiedergegeben sind. Die Liste der deutschen Bezeichnungen ist dort im Anhang hinter der Seite 24 eingefügt (aus Übersichtsgründen ?).

Abbildung 17: Zeichnung der Lawhill Winden. (aus dem „Lawhill“ Buch).

Abbildungen 18 bis 23: Zeichnung der Lawhill Winden. und der Führung der Brassen der verschiedenen Masten

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