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Jarvis-Brasswinden
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Kapitel 2
Kapitel 3 & 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7 & 8
Quellen
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Abbildungen 24-42
Anhänge
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Boote der Bodden
Rügischer Schiffbau
Frachtsegler Rügens
Dt. Kleinschiffahrt
Seefahrtkreuzer
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Übersicht

 

7.   Spannungsnachweis

Bei der Betrachtung der Festigkeit der Winden erscheinen 2 Dinge kritisch:

-          Die in der Mittelwelle entstehende Schubspannung durch die Torsion aus der Summe der Momente, die aus den Brasskräften herrühren.

-          Die Schubspannungen in den Zähnen der Zahnräder auf den Außenwellen, die durch die Übertragung der Momente von den Außenwellen zur Mittelwelle entstehen.

Die Berechnungen sind in den Anlagen 14 und 15 dargestellt.

Die Mittelwelle wird an ihren Enden durch die Blockier-Scheiben (in denen die Stopperriegel stecken) arretiert. Diese beiden Scheiben wirken den Momenten entgegen, die durch die Unterbrasse und die Zahnräder der Außenwellen eingebracht werden. Das maximale Torsionsmoment in der Mittelwelle ist halb so groß, wie die Summe aller eingebrachten Torsionsmomente (aus den verschiedenen Brassen, die auf ihre Trommeln wirken). Der Momentenverlauf sieht wie folgt aus:  Abb. 38

Zur Spannungsermittlung in der Welle werden 1. die Momente aus den Bruchkräften der für die Brassläufer benutzten Drahtseile benutzt, sowie 2. die Momente aus den Brasskräften für die 3 Verschiedenen Besegelungsfälle + Böenfaktor. (Dazu werden die Brasskräfte ermittelt, die durch die definierten gesetzten Segel (1.Fall à alle Rahsegel , 2. à UR, UM und OM , 3. à UM) entstehen, wenn eine Windstärke mehr einfällt ( 1.Fall à 7 Beaufort , 2. à 9 B. , 3. à 11 B.)).

Weil sich im Verlauf der Berechnungen zeigte, daß die Spannungen für den Fall des Brassenbruchs viel zu hoch wurden, werden auch die Spannungen für den Fall einer originalen Brasswinde (um 1900) ermittelt, um die rechnerischen Ergebnisse besser mit den empirischen Werten vergleichen zu können. Dazu werden als Bruchkräfte für die Drahtseile die von Middendorf (Seite 346) gemachten Angaben verwendet, und es wird hierbei davon ausgegangen, daß nur die 3 unteren Rahen auf die Winde laufen.

Beschreibung der Excelberechnungen: (Anlage 14)

Um die Brasskräfte für die 3 verschiedenen Segel-Zustände zu erhalten, werden die Ausgangswerte (Brasswinkel in „Invoer“ und Windstärke sowie gesetzte Segel in „GL-Kräfte“) eingestellt. Die Ergebnisse daraus (Kräfte in den Brassläufern) werden in die 2. Zeile geliefert und per Hand in die 5. Zeile (in die grauen Zellen) eingegeben.

Darunter werden die Kräfte in den Schenkeln und (daraus folgend) in den Läufern errechnet (unter Berücksichtigung der vertikalen Zugwinkel).

Die Torsionsmomente an den Wellen werden mit den Brasskräften und den geometrischen Gegebenheiten der Winde (im Blatt „Trommel“ ermittelte Durchmesser, Drehzahlverhältnis der Wellen zueinander) berechnet. Die Bruchkraft der Brassdrähte wird der GL Tab. 1.10 aus den Vorschriften für Riggkonzeptionen entnommen. Von den 3 Segelfällen wird das größte ermittelte Moment benutzt.

Das maximale Torsionsmoment in der Mittelwelle wird jeweils mit der Hälfte der eben berechneten Momente angenommen (weil durch die beiden Blockierscheiben 2 „Gegenmomente“ wirken). Mit dem Wellendurchmesser wird das Torsionswiderstandsmoment berechnet und die Spannungen ergeben sich aus Torsionsmoment geteilt durch Widerstandsmoment.

Um die Kräfte an den Zähnen der Zahnräder zu ermitteln, die die Momente der Außenwellen auf die Mittelwelle übertragen, werden die örtlichen Momente (die aus den entsprechenden einzelnen Brasskräften resultieren) durch den Radius der (gleichgroßen) Zahnräder geteilt. Durch das anschließende Teilen durch die (mit Breite und Dicke ermittelte) Querschnittsfläche des Zahnes  ergeben sich dann die Spannungen.

Ergebnisse:

Aus den Berechnungen geht hervor, daß das größte Torsionsmoment (abgesehen vom Bruch) im 2. Segelfall entsteht, also wenn eine Böe von 9 Beaufort (23 m/s) in die noch an jedem Mast stehenden 3 unteren hart angebrassten Rahsegel einfällt. Unter diesen Umständen wird das Schiff sehr schnell und stark krängen, so daß die Kräfte in den Brassen nur kurzzeitig ihren hier berechneten Wert erreichen. Bei normalfestem Stahl als Material für die Bauteile der Winde (höchste zul. Schubspannung = 135 N/mm²) und der ermittelten Spannung von 90 N/mm² ergibt sich eine Sicherheit gegen plastische Verformung von 1,5. Das ist eine relativ geringe Sicherheit, wenn man die große Wichtigkeit der Winden für das Funktionieren des Schiffes betrachtet, allerdings kann man davon ausgehen, daß eher das Obermarssegel in Stücke geht (falls das Schiff selbst dem Druck nicht schnell genug ausweicht).

Der Bruchkraft der 5 Brassdrähte hat die Mittelwelle erwartungsgemäß nicht viel entgegenzusetzen (Sie müsste einen Durchmesser von mindestens 125 mm haben, um der entstehenden Torsion zu widerstehen).

Das ist nicht überraschend, aber ist es auch zulässig? Denn wie es aussieht, hätte auch zu Middendorfs Zeiten die Welle dem Bruch der 3 Brassen nicht standgehalten. Wie schon gezeigt wurde, unterscheiden sich die tatsächlichen Spitzenbelastungen der neuen 10 Trommel-Winde und der alten Winden nicht. Sie sind nur abhängig von der Größe und Anordnung der Segel und der Takelage. Da diese Größen vergleichbar sind mit denen von bewährten Schiffen, wie z.B. der „Preußen“, der „Potosi“ und natürlich der alten „France II“, müssen auch die auf die Brasswinden wirkenden Kräfte vergleichbar sein (es ist wohl kaum zu vermuten, daß die Schiffe heute härter gesegelt werden als damals). Es stellt sich also die Frage, ob durch das Wirken der Segel in den Brassen überhaupt eine Kraft entstehen kann, die der Bruchkraft nahe kommt.

Deshalb wird folgendes Szenario durchgespielt: Die Rahen des Fockmastes sind vierkant gebrasst (so daß die krängende Kraft der Segel relativ gering ist, obwohl das stehende und laufende Gut das Seinige dafür tut), es stehen noch alle Rahsegel und die Windstärke beträgt 11 Beaufort (31 m/s). Die aus der Torsion folgende Spannung in der Mittelwelle würde 110 N/mm² betragen und die Sicherheit gegen plastisches Verformen betrüge immer noch 1,23 (siehe Anlage 15). Der althergebrachte Durchmesser der Wellen (60 mm) wird also als ausreichend angesehen.

Zu den Zahnrädern:   Gewöhnlich beträgt die Breite der Zahnräder an Brasswinden 2,5 Zoll (63,5 mm). Die Dicke der Zähne ergibt sich aus dem mittleren Umfang der jeweiligen Zahnräder und der Zähnezahl. Eine „Wellenlänge“ = 495 mm mittl. Durchmesser * Pi / 50 Zähne = 31,1 mm. Diese Entfernung entspricht einem Zahn und einer Lücke auf dem mittleren Umfang, d.h. die Dicke des Zahns ist an der Auflagestelle etwas geringer als die Hälfte davon = 15 mm. Daraus ergibt sich die Querschnittsfläche von 945 mm².

Die aus den Torsionsmomenten der Außenwellen und dem Zahnradradius ermittelten Kräfte (siehe untenstehende Skizze) führen zu Schubspannungen in den Zähnen, die im Segelfall niedrig liegen (Anlage 14 unten). Beim Bruch der Brassen ergeben sich für die Jahrhundertwendenwinde, wie auch für die Neuzeitliche zu hohe Spannungen (aber da ist ja schon längst die Mittelwelle abgedreht...).   Abb. 39

Alle anderen Bauteile (z.B. Schrauben) können leicht unter Zuhilfenahme der schon verwendeten Kräfte und Momente dimensioniert werden.

Bei der Konstruktion der Bandbremse ist zu beachten, daß sie in beide Drehrichtungen belastet wird, d.h. die Befestigung am (und durch das) Deck (2 Flacheisen) wird nicht nur auf Zug sondern auch auf Druck beansprucht und muß somit auf Knickung berechnet werden.

 

8.        Argumente für und gegen den Antrieb von Brasswinden mit hydraulischen oder elektrischen Motoren

Im Folgenden werden pro und contra des Handantriebs im Vergleich mit dem kombinierten Motoren- und Handantrieb erläutert. In einer vorläufigen Spezifikation für die „France II Renaissance“ wurde ein motorischer Antrieb für die Brasswinden gewünscht. Die Vor- und Nachteile desselben sollten aber sorgfältig abgewogen werden. Dazu werden hier ein paar Anregungen gegeben:

1.     Erforderliche Mannschaft

Das am häufigsten vorgebrachte Argument für den Motorenantrieb von Brasswinden (Hydraulik- oder Elektromotoren) ist die Personaleinsparung. Für die Bedienung einer so ausgestatteten Winde wären 2 Leute ausreichend: Nachdem ein Mann die Taljen der unteren Leebrassen (Unterrah, Unter- und Obermarsrah) und der Andere die der oberen Leebrassen (Unter- und Oberbramrah) ein wenig gefiert hat, übernimmt der Eine die Bremse an der Winde und der Andere den Schalter und das Brassen kann beginnen.

Allerdings ist die Mannschaftsersparnis bei Winden mit Motorenantrieb gegenüber Winden mit Handantrieb nicht so groß, wie es zunächst scheinen mag. Für die Bedienung einer handbetriebenen Winde (mit 10 Trommeln) sind notwendig:

·                     Bei baren Rahen (keine Rahsegel gesetzt) à 4 Leute pro Winde: Die Leetaljen und die Bremse werden gefiert und die 4 Leute kurbeln. D.h. alle 4 Masten können durch 16 Leute gleichzeitig gebrasst werden.

·                     Unter normalen Bedingungen (Rahsegel entsprechend den Wetterverhältnissen gesetzt) à 7 Leute pro Winde: Einer an der Bremse und 6 Leute kurbeln. D.h. 2 Masten können mit den 16 Leuten gleichzeitig gebrasst werden (was in etwa 3-5 min dauert).

·                     In einer Wende à Die 3 mittleren Masten können leicht gleichzeitig gebrasst werden (weil der Wind die Rahen herumdrückt): so dass zunächst nur je Einer an der Bremse und4 an den Kurbeln (Summe = 15 Leute) arbeiten müssen. Danach gehen die Leute zum Großmast und können den Fockmast umbrassen: Einer an der Bremse, 8 Leute kurbeln und die anderen stehen bereit, um nötigenfalls die Leute an den Kurbeln abzuwechseln (Summe < 16 Leute).

Summiert man für diese 3 Fälle die erforderlichen Mannschaften auf, so kommt man für den Handbetrieb auf insgesamt 16 und für den Motorbetrieb auf 8 Leute.

Man könnte argumentieren, dass beim Motorenantrieb der Mann an der Bremse ja überflüssig ist, weil der Motor die Winde bremsen kann, aber dabei würde man außer Acht lassen, dass ja auch beobachtet werden muss, was einerseits im Rigg und andererseits auf den 10 Trommeln der Winde vor sich geht, was einen Mann allein schnell überfordern könnte.

In jedem Fall müssen vor dem betätigen der Winde die Taljen der Leebrassen ein wenig gefiert werden, um eventuell auftretende Spannungsunterschiede in den Brassen auszugleichen und um die Gesamtreibung zu verringern.

2.     Technik

Der Handbetrieb (der in der motorengetriebenen Version als Notantrieb auch vorhanden sein muss) besteht aus leicht durchschaubaren mechanischen Bauteilen und ist, wenn er regelmäßig benutzt wird, sehr zuverlässig und haltbar (die Winden auf der „Sedov“ und auf der „Krusenstern“ funktionieren seit 80 Jahren). Die meisten Bauteile sind genormte Halbzeuge , die, falls notwendig, leicht ausgetauscht werden können.

Beim Motorenantrieb müssen die Motoren stufenlos regelbar sein. Deswegen kommen nur frequenzgesteuerte Elektromotoren oder Hydraulikmotoren mit Proportionalventilen in Frage. Diese sind in der Konstruktion, Anschaffung, im Unterhalt und der Reparatur natürlich aufwendiger als der Handantrieb (der ja zusätzlich vorhanden sein muss). (Der Unterhalt wird u.a. dadurch verteuert, dass das erforderliche Personal besser ausgebildet sein muss und deswegen sicherlich mehr Heuer verlangen wird.)

3.     Kontrolle der Kräfte

Im Handbetrieb erfolgt die Kontrolle der durch die Winde ins Rigg eingebrachten Kräfte auf natürliche Weise: Wenn die Winde zu schwer geht werden die Leute langsamer oder hören ganz auf zu kurbeln, und sehen nach, wo es hakt.

Wenn in der Wende der Fockmast Stück für Stück herum gebrasst wird, so entspricht der Kraftaufwand über dem Brassweg in etwa dem physischen Zustand der Männer (anfangs kräftig, später eher weniger). Für den Fall, dass die Leute eher am Ende sind, als die Rahen, sollten die Ersatzleute einspringen.

Auf diese Weise ist in jedem Fall sicher gestellt, dass die Rah nicht durch die Krafteinwirkung an der Winde gegen die Pardunen schlägt und Schaden anrichtet. (Das dies nicht durch das Herumschwingen der Rahen infolge des Winddruckes (an den mittleren 3 Masten) geschieht, liegt in der Hand des Mannes an der Bremse.)

Für die Ausrüstung und Bedienung von Winden mit Motorenantrieb gilt allgemein, dass der Ausbildungsstand und die stete Aufmerksamkeit der Leute, die sie bedienen im selben Grade steigen muss, wie die durch die Winden erzeugte Kraft.

Die Rückmeldung der durch die Brasswinden im Rigg erzeugten Kräfte sind anfangs nur zu sehen (später dann auch zu hören: Zeng!), aber keinesfalls zu spüren. Momentenbegrenzer in der Windensteuerung sind sinnvoll, um im Verlauf des Brassens auf entstehende unzulässige Spannungen hinzuweisen. Allerdings müssen sie natürlich so eingestellt sein, dass die Winde die erforderlichen Kräfte (Aufbrassen bei Starkwind) auch aufbringen kann. Dass dieselben Kräfte aber beim Anbrassen (wobei der Zugwinkel der Leebrassen noch effektiver wird) die Rahen gegen die Pardunen ziehen, kann (automatisch) nur ein Endlagenschalter verhindern.

Die Möglichkeit, dass im späteren Schiffsbetrieb jemand nach eventuellen wiederholten Unterbrechungen beim Brassen durch den Momentenbegrenzer, diesen zu seinen Gunsten verstellt oder gar ausschaltet, soll nur kurz erwähnt werden.

4.     Handhabung

Die Wende ist das schwierigste Manöver mit einem großen Rahsegler und läuft stark vereinfacht etwa so ab:

Man geht in den Wind und wenn die Rahsegel auf der alten Luvseite back stehen, aber auf der alten Leeseite noch voll stehen, werden außer dem Fockmast alle vollgetakelten Masten rundgebrasst (auf der anderen Seite hart angebrasst). Der Winddruck in den Segeln lässt die Rahen herumschwingen und man braucht meist nur die Lose aus den Brassen zu holen. Den Fockmast lässt man back stehen, so dass der Bug herumgedrückt, und das Schiff zum Abfallen auf dem neuen Bug gezwungen wird. Erst, wenn die Rahsegel der hinteren Masten fast voll stehen, werden die Rahen des Fockmastes Hand über Hand herumgeholt.

Im Handbetrieb erfolgt dieses relativ schnelle Herumschwingen der hinteren Rahen entweder im größten Gang der Winde (geringste Untersetzung ca. 1,2-fach), der in Sekundenschnelle von den Kurbeln aus eingelegt werden kann (indem die Antriebswelle verschoben wird) oder man lässt kurzzeitig die Kurbeln los und kontrolliert die Winde nur mit der Bremse.

Erfolgt dieses Umbrassen der Rahen an den hinteren Masten zu langsam, so wird das Schiff durch die vierkant back stehenden Segel stark aufgestoppt und unter Umständen misslingt die Wende. Bei der Auslegung eines Motorenantriebs muss dies berücksichtigt werden, d.h. der Antrieb muss in der Lage sein den ganzen Topp in Sekunden herumzubrassen (wenn es leicht geht), oder der Motor muss schnell und zuverlässig ein- und auszukuppeln sein, so dass man die Rahen ungehindert selbst herumkommen lassen kann.

Auch beim Motorenantrieb ist natürlich darauf zu achten, dass die Geschwindigkeit der Rahen zum Schluss abnimmt und sie nicht gegen die Pardunen schlagen.

5.     Notbetrieb

Wie schon häufiger erwähnt, ist bei einer Motorengetriebenen Brasswinde der Handbetrieb als Notbehelf unbedingt notwendig. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird im Bordalltag aber der Motorenantrieb benutzt werden und nur hin und wieder (wenn überhaupt) der Handantrieb. Das kann zu zwei Dingen führen:

1.      Durch die Kraftübertragung vom Motor zur Winde (Kette, Zahnräder o.ä.) erhöht sich der Widerstand der Winde im Handbetrieb.

Als Beispiel hierfür sollen die Winden der „Cisne Branco“ dienen: Die Übertragung von dem Hydraulikmotor zur Winde erfolgt mittels einer Kette („dicke Fahrradkette“). Von dem Eigner wurde das vorhandene Spiel bemängelt; also wurden die Ketten stärker gespannt. Das führte dazu, dass die Reibung derart zunahm, dass auf diesem 50 m langen Schiff 2 Leute kaum in der Lage waren, die baren Rahen zu brassen.

Dieser Aspekt muss konstruktiv bedacht werden.

2.      Es ist eine allgemeine Erscheinung, dass Dinge, die nicht benutzt werden, verkümmern. Je seltener der Handantrieb benutzt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er beim Schmieren übersehen wird, dann fest rostet und anschließend dick übermalt wird, so dass sich kommende Generationen fragen, wozu denn die oberste Welle da ist.

Das kann sicherlich leicht vermieden werden, muss es aber auch, denn falls nur ein Windenmotor Schwierigkeiten macht, und der Handantrieb nicht bereit ist, dann ist das Schiff segeltechnisch funktionsunfähig.

 

6.     Schlussbetrachtung

Obwohl in der Schlussphase der kommerziellen Segelschifffahrt der antrieb der zahlreichen Deckswinden mit Dampf oder Petroleummotoren möglich und üblich war, wo wurden doch nie Versuche gemacht, Brasswinden auf diese Art anzutreiben (etwa durch Kettentransmission). Und auch von den beiden neuen Brasswinden, die in den letzten Jahren für die „Stad Amsterdam“ und die „Cisne Branco“ gebaut wurden, hat, paradoxerweise, die Winde für den weniger stark bemannten der beiden Klipper nur einen Handantrieb, während die Winden des brasilianischen Marineschulschiffes mit einem hydraulischen Antrieb versehen wurden. (Ob ein so kleines Schulschiff überhaupt Brasswinden haben sollte, sei mal dahingestellt).

Abb. 40: Brasswinde auf der „Stad Amsterdam“ (Gold und Geschmeide, wohin man schaut): Die Winden wurden aus Nichtrostendem Stahl und Bronze gefertigt. Die angrenzenden Zahnräder bestehen jeweils aus unterschiedlichem Material, so daß stets Niro auf Bronze reibt. Die Bauweise entspricht der Althergebrachten, aber weil die Trommeldurchmesser relativ klein sind, wurden überall nur 7 Stäbe (statt 9 für dicke Trommeln) verwendet. Auch die Brassen bestehen aus Niro-Draht.

Abb. 41 und 42: Brasswinde der „Cisne Branco“ vor der Montage in Amsterdam. Beachte die vielen großen Zahnräder des Getriebes, unter der Bremse ist der Hydraulikmotor mit der Kette zu sehen. Unter dem Schutzblech hinter dem Kupplungshebel läuft eine andere Kette, die die Kraftübertragung von der Antriebswelle zum Getriebe übernimmt. Die Rahmen sind feuerverzinkt und die anderen Bauteile mit Farbe beschichtet.

In der Anlage 13 ist die Konstruktionszeichnung der Winden der „Cisne Branco“ dargestellt. Die Konstruktion stammt aus der Feder des ehemaligen navcon GmbH-Mitarbeiters Peter Brüning (Maschinenbau Ingenieur): Die Trommeln drehen alle gleichschnell, das Getriebe ist völlig anders gestaltet und untersetzt, die Zahnräder sind alle auf einer Seite der Winde, die Bremse ist an einem Rahmen befestigt (statt an einem durch das Deck geführten Bolzen), je 3 Scheiben unterstützen die Stäbe (statt 2).

Die von Manchen angedachte Variante , Brasswinden so weiter zu entwickeln und zu perfektionieren, dass sie vollautomatisch (z.B. von der Brücke aus) gefahren werden können, scheint mir unausgereift und bedingt sinnvoll.

·         Unausgereift, weil einige geometrische Probleme von Rahseglertakelagen in der „zentimetergenauen Berechnung“ offenbar vernachlässigt werden. So z.B. das Dumpen der Rahen (Drehen der Rahen um die Schifflängsachse (x-Achse)), oder die Brasslängenänderung der fierbaren Rahen, oder das notwendige Fieren der Geitaue und Gordinge in Lee beim Umbrassen, von Störungen, wie Überläufern oder Lücken, beim Aufwickeln der Brassen auf die Trommeln mal ganz abgesehen. Die Parten der Brassläufer, die nicht auf die Winde gehen, müssen immer verstellbar sein, und wenn dies ebenso automatisch erfolgen soll (z.B. mit einzelnen kaptiven Winden), könnte man die Brassen auch gleich mit diesen holen und sich die Jarvis-Winden sparen.

·         Bedingt sinnvoll scheint mir der potentielle automatische Betrieb von Brasswinden, weil die dadurch beabsichtigte Mannschaftsreduzierung zu weit führen würde: Denn z.B. für das Einpacken eines ca. 0,5t schweren Untersegels (z.B. der Fock) auf einer 100 m langen 4 Mast Bark sind, bei einigem Wind, etwa 15 Mann erforderlich (wenn erst die eine Seite eingepackt wird und dann die Andere), und gewiss möchte man noch einige Leute an Deck wissen.

D.h. wenn so viele Leute (an den Brasswinden) eingespart würden, wie theoretisch möglich wäre, würde man das Schiff gefährlich unter besetzen.

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