5. Lastannahmen
Entscheidend für die Belastungen der Winden sind die Kräfte in den Brassen. Dabei werden grundsätzlich 2 Fälle unterschieden:
· Die Kräfte in den Brassen entsprechen den Bruchkräften dieser Drahtseile
· Die Kräfte in den Brassen werden für drei definierte Segelzustände (siehe 4.2) + einen Böenfaktor von zusätzlich 1 Beaufort ermittelt. Hiervon werden die größten Kräfte benutzt. Die Bauteile müssen so dimensioniert sein, daß eine annehmbare Sicherheit gegen plastisches Verformen gegeben ist.
5.1 Berechnung der Bruchkraft der Winden
Die Bruchkräfte der Drahtseile werden der Tabelle 1.10 der GL Vorschriften für Riggkonzeptionen entnommen (6x36 Warrington Seale).
Name der Rah | Draht D | Bruchkraft |
Unterrah | 20 mm | 221 kN |
Untermarsrah | 20 mm | 221 kN |
Obermarsrah | 18 mm | 181 kN |
Unterbramrah | 16 mm | 143 kN |
Oberbramrah | 14 mm | 109 kN |
| Gesamtbruchkraft : | 875 kN |
5.2 Berechnung der notwendigen Brasskräfte
Die Berechnung der Kräfte in den Brassschenkeln (nach den Vorschriften des GL – siehe Anhang) wird in dem Blatt –„GL Kräfte“ vorgenommen. Diese Kräfte werden für 3 verschiedene Fälle ermittelt:
· Fall 1: Beaufort 6, alle Rahsegel gesetzt
· Fall 2: Beaufort 8, Fock, Untermars und Obermars gesetzt
· Fall 3: Beaufort 10, Untermars gesetzt
Ausgehend von der Schiffsgeometrie und den vom GL vorgeschriebenen Formeln werden zunächst die Kräfte in den Segeln, und daraus resultierend die Kräfte an den Schenkeln der Brassen der verschiedenen Rahen ermittelt. Dabei wird berücksichtigt, wo die Brassen hinten seitlich befestigt sind (am dahinterstehenden Mast – also mittschiffs, oder an Deck – also auf halber Schiffsbreite). Der horizontale Winkel der Schenkel (also wo die Brassen höhenmäßig befestigt sind) wird erst im nächsten Rechnungsgang berücksichtigt.
Die Ergebnisse für einen Zustand (bei Windstärke 6 und allen Segeln) sind in der Anlage 10 dargestellt.
Die Berechnung der Kräfte in den Brassläufern erfolgt in dem Blatt „Brasskräfte“. Es wird wie folgt verfahren:
Die Kräfte in den Schenkeln werden aus dem Blatt „GL Kräfte“ in die erste Zeile geliefert und werden in der 3. Zeile in das Feld für den gegenwärtigen Zustand (z.B. 6 Beaufort) eingegeben. Dann werden in dem Blatt „GL Kräfte“ die Bedingungen für den nächsten Fall (z.B. 8 Beaufort) geschaffen, und die nun aktualisierten Ergebnisse aus Zeile 1 in das graue Feld des entsprechenden Zustandes eingetragen. So tut man für alle 3 Fälle.
In den folgenden Zeilen des Blattes „Brasskräfte“ werden dann in Abhängigkeit von den Befestigungspunkten (und sich daraus ergebenden Winkeln) die Kräfte in den Brassläufern errechnet. Das sind die Kräfte, die in den 3 verschiedenen Zuständen auf die Brasswinden wirken.
Diese sind in der Anlage 11 dargestellt.
5.3 Ermittlung der erforderlichen Untersetzung des Vorgeleges
Im folgenden soll, ausgehend von den Kräften in den Brassläufern, das erforderliche Moment an der Mittelwelle berechnet werden, um daraus, und aus dem ebenfalls zu ermittelnden vorhandenen Moment an der Antriebswelle, die Untersetzung des Getriebes zu erhalten.
1. Maximales Moment, das an der Antriebswelle aufgebracht wird:
Louis Lacroix schreibt in seinem Buch „Les Derniers Cap-Horniers Francaise“, daß an den Kurbeln der Brasswinden der alten „France II“ 8 Leute gleichzeitig arbeiten konnten. D.h. die Handgriffe der Kurbeln waren wohl etwas länger als der Standard (= 550 mm – erlauben 2 Leute gegenüber + Einer an der Stirnseite).
Gewöhnlich ist der Hebelarm einer solchen Kurbel etwa 350 mm (aus ergonomischen Gründen). Die Kraft, mit der ein Mann auf die Kurbel wirken kann wird mit ca. 40 kg angenommen (400 N).
Es ergibt sich also das maximale Moment an der Antriebswelle mit:
2 Kurbeln * 4 Leute * 400 N * 0,35 m Hebel = 1120 Nm
Das erforderliche Moment an der Mittelwelle geteilt durch dieses Antriebsmoment ergibt die Mindestuntersetzung im kleinsten (1.) Gang.
2. Widerstand des Gesamtsystems
Die Ergebnisse der Berechnungen zu den Punkten 2., 3. und 4. sind in der Anlage 12 dargestellt.
Zur Näherung des Widerstands des Gesamtsystems (Reibung der Winden, Umlenkung und Reibung der Brassen, Reibung in den Beschlägen etc.) wird wieder die Viermastbark „Sedov“ als Vergleichsschiff herangezogen. Auf diesem Schiff können 2 Mann die baren Rahen (ohne gesetzte Segel) brassen und geraten darüber durchaus ins Schwitzen. Dazu muß bemerkt werden, daß weder die Zahnräder noch die Brassen der beobachteten Winde gefettet waren. Die Umlenkblöcke der Brassen haben Bronzescheiben, die auf Stahlbolzen laufen (keine Kugellager). Die Kraft pro Mann wird wieder mit 400 N, und der Kurbel-Hebel mit 0,35 m angenommen. Mittels der Zähnezahlen im benutzten Gang (der 2.) wird die Untersetzung zwischen der Antriebs- und der Mittelwelle ermittelt.
Der Gesamt-Reibungswiderstand auf der „France II Renaissance“ wird auf das 1,5-fache der „Sedov“ geschätzt: Statt der üblichen 3 Rahen werden auf der FR II 5 Rahen gebrasst, die auch noch länger sind. Allerdings sind die Bramrahen wesentlich kleiner als die unteren Rahen und die Reibung bei der Umlenkung ihrer Brassen deswegen wesentlich geringer.
Das so berechnete Moment aus den Widerständen muß beim Betrieb der Winde zusätzlich zu dem Moment aus den erforderlichen Brasskräften aufgebracht werden.
3. Erforderliches Moment an der Mittelwelle
Um die erforderlichen Momente an der Mittelwelle zu ermitteln, werden die Brasskräfte (für die 3 verschiedenen Fälle) mit ihren jeweiligen Hebeln (kleiner Radius der Trommel + Halber Drahtdurchmesser) und dem entsprechenden Verhältnis der Zähnezahlen der Verbindungszahnräder multipliziert. Diese Momente werden summiert. Das größte auftretende Moment an der Mittelwelle ergibt zusammen mit dem Moment aus den Widerständen das erforderliche Gesamtmoment an der Mittelwelle.
4. Zähnezahlen der Zahnräder
Im kleinsten Gang (dem 1.) sollen die Leute mit der Winde in der Lage sein, die Rahen unter nahezu allen Umständen zu brassen, wobei im täglichen Betrieb der 2. Gang am häufigsten benutzt wird.
Im 1.Gang treiben die Leute an den Kurbeln über das kleine Antriebsrad (Standard = 5 Z.) das große Hilfsrad (25 Z.) an, das mit dem kleinen Hilfsrad (15 Z.) eine Einheit bildet. Dieses wirkt auf das Untere Antriebsrad (50 Z.), das auf der Mittelwelle befestigt ist. Auf der gegenüberliegenden Seite der Winde treibt das Verbindungsrad (40 Z.), das auf der Mittelwelle fest sitzt, die beiden Außenräder (50 Z.) an, die damit die beiden übrigen Wellen bewegen.
Das Untersetzungsverhältnis im 1.Gang muß also so groß sein, daß das durch die Kurbelknaben eingebrachte Moment an der Mittelwelle mindestens ebenso groß ist, wie das erforderliche Gesamtmoment an der Mittelwelle.
Wie aus der Anlage 9 ersichtlich wird, ist die Untersetzung völlig ausreichend, wenn die Standard-Zahnräder (wie um die Jahrhundertwende üblich) verwendet werden, obwohl die Segelflächen ja doch recht groß sind und auch noch die Bramsegel mit der Winde gebrasst werden.
Wenn man den Zustand betrachtet, in dem die größte Brasskraft erforderlich ist, wird allerdings schnell deutlich, daß die Bramsegel hierfür keine Bedeutung haben, weil bei den (definierten) 8 Windstärken nur noch die 3 unteren Segel stehen, die ja sonst auch (z.B. auf der ähnlich großen „Preußen“) mit den Brasswinden bedient werden.